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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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für sie um Aufnahme im Damenstift. Wir dürfen nicht vergessen zu erwähnen, dass Anna di Nezzas Vater ihr eine passende Mitgift hinterlassen hat. Das wird sie den Stiftsdamen besonders empfehlen. Und ich werde es mir angelegentlich sein lassen, ebenfalls eine gewisse Summe dem Stift zu übereignen. Ich hörte, sie wünschen sich ein Fenster mit der Kreuzigungsszene. Äbtissin Ida-Sophia wird mir dafür Dank wissen.«
    Anna schnappte nach Luft. Dann stammelte sie: »Ihr... Ihr wollt ein Vermögen für mich opfern? Herr, tut das nicht.«
    »Kein Vermögen, nur eine gewisse, ansprechende Summe. Ich dachte, du wünschst es dir? Du kannst nicht als arme Kirchenmaus in das Stift eintreten. Das würde deiner gelben Galle gar nicht wohl bekommen.«
    »Aber ich kann Eure Gabe doch nicht annehmen! Was bringt Euch nur dazu, ein solches Angebot zu machen?«
    »Sagen wir mal, dein quecksilbriger Geist beeindruckt mich.«
    »Unsinn!«
    Hrabanus Valens lachte trocken auf.
    »Respektlose Göre. Hattest du nicht gesagt, du seiestdemütig und gehorsam gegen jene, denen du dich verpflichtet fühlst?«
    »Das ist es ja, Herr. Nun, da ich Euch kenne, möchte ich mich nicht verpflichtet fühlen.«
    »Nein, Kind? Dann werde ich deinen Respekt wohl nie erlangen.«
    Diesmal gab es kein verräterisches Glitzern unter den gesenkten Gliedern, und Annas Antwort kam sehr leise und ernst: »Den besitzt ihr doch schon, Herr.«
    »Nun, mein Mädchen, dann stimme dem Vorgehen zu.«
    »Ja, Herr.«
    »Du wirst nächste Woche in mein Haus in der Sternengasse ziehen. Es nennt sich ›Zum Raben‹, und du brauchst keine Angst zu haben, es ist groß genug, dass du sogar eine eigene Kammer bewohnen kannst. Meine Gemahlin und ihre Kammerfrauen werden dich in die Feinheiten des höfischen Benehmens einweisen und auch für angemessene Kleidung sorgen.«
    »Aber sie werden wissen wollen, woher ich komme?«
    »Das habe ich dir doch gerade erklärt. Abgesehen davon wirst du kein Wort unserer Sprache verstehen, sondern dich ausschließlich des Lateinischen befleißigen. So können sie dich nicht aushorchen.«
    Nach kurzem Nachdenken nickte Anna.
    »Das mag gehen. Und dann – wenn ich das höfliche Benehmen gelernt habe?«
    »Höfisch, ob das bei dir immer höflich ist, mag dahingestellt sein.« Sie sah auf und zwinkerte, sagte aber nichts. Er fuhr fort: »Am siebzehnten Mai findet das große Turnier statt. Du hast sicher davon gehört.«
    »O ja, die Ritter kommen und König Maximilian.«
    »Mummenschanz, und ein verdammt kostspieliger obendrein!«, knurrte der Handelsherr. »Aber er hat denVorteil, dass Besucher und Teilnehmer aus allen Ländern dabei sein werden. Darunter auch ein alter Freund von Francesco di Nezza, deinem armen, verblichenen Vater.«
    »Aber – gab es ihn denn wirklich?«
    »Was ist schon wirklich? Ich habe Freunde, die mir bei unserer kleinen Gaukelei behilflich sein werden. Es ist kein Verbrechen, einer unbescholtenen jungen Frau den Weg in eine bessere Zukunft zu ebnen.«
    Anna errötete und biss sich auf die Lippen.
    »Du willst mir vorwerfen, jede Lüge sei unmoralisch?«
    Sie schüttelte den Kopf und straffte sich ein wenig.
    »Nein, Herr. Wohl nicht jede Lüge. Ich habe in diesem Leben nie einen Vater gehabt, und der, der mir jetzt in meinem neuen Leben beschert wurde, verstarb. Ich brauche Trauergewänder.«
    »Nach neuestem italienischem Schnitt, Kind. Man trägt dort kleidsamere Gewänder als hier.«
    »Ihr wart tatsächlich dort?«
    »Selbstverständlich, Anna. Ich betreibe den Gewürzhandel, und der führt mich oft genug in die Ferne. Kein ungefährliches Unterfangen, wie du sehen kannst.« »Ihr... Ihr habt Euch die Blattern dort geholt?« »Ja, vor siebzehn Jahren.«
    »Aber Ihr habt sie überlebt.«
    »Knapp, Kind, knapp. Und nicht ohne bleibende Spuren, die mich immer wieder daran erinnern, wie dünn das Fädchen ist, an dem das menschliche Leben hängt.«
    »Verzeiht, dass ich Euch vorhin so angestarrt habe.«
    Er lächelte sie an, und alles Düstere aus seinem Gesicht verschwand.
    »Nun scheinst du dich doch plötzlich verpflichtet zu fühlen.«
    »Ja, Herr, ich bin Euch dankbar.«
    »Du brauchst es nicht zu sein. Deiner Mutter und Horsel habe ich es zu verdanken, dass ich noch am Leben bin. Sie haben mich gepflegt. Also betrachte meine Bemühungen um dich als eine Wiedergutmachung. Einverstanden?«
    Anna sah ihm wieder sehr offen in die Augen und stellte mit Verblüffung fest, dass er seinen Blick senkte. Er hatte

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