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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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du nicht mehr als die Buchstaben auf dem Nummernschild behalten hast, ist glaubhaft. Tja, und dann warte ab, bis die Vorladung kommt. Hey, du zitterst ja, Anita. Meine Güte, so sehr hat es dich erwischt?«
    »Mehr als du dir vorstellen kannst.«
    »Du brauchst ein Bier, Mädchen. Komm mit.«
    Dieser Abend sollte Konsequenzen haben. Die erste bestand darin, am nächsten Morgen zur Polizei zu gehen und Anzeige gegen den Fahrer des Wagens mit dem Kennzeichen K-VC zu erstatten, der mich am achten Januar auf das Übelste belästigt und mich körperlich bedroht hatte. Die Geschichte eines längeren Krankenhausaufenthaltes in der Zwischenzeit nahm man mir mit meinem ungeschminkten Gesicht ohne Fragen ab. Eine kleine Bemerkung, eher eine seltsame Reaktion war es, die mich ein wenig stutzig gemacht hatte, als der Dienst habende Beamte meine Angaben aufnahm.
    »K-VC?«, sagte sein Kollege. »Oha!«
    »Kennen Sie den Mann?«
    »Nein, Frau Kaiser. Jetzt bitte Ihre Personalien.«
    Mehr war nicht zu erfahren, aber ich verließ die Wache mit gemischten Gefühlen. War Valerius etwa ein notorischer Frauen-Nötiger? Nun, ich würde es in Kürze erfahren.
    Die zweite Folge des Karnevalsfestes war Roses geistige Verfassung. Die befand sich nämlich im Ausnahmezustand.
    »Anita, ich habe die gleiche Scheiße gemacht wie du. Ich weiß nur, dass er Falko heißt.«
    »Prima. Aber ich weiß, dass er Staatsanwalt ist. Und Fabian ist Richter und Hannes Notar. Außerdem scheint Carl die Jungs zu kennen. Du hast um etwa vierhundert Prozent bessere Karten als ich.«
    »Rufst du Carl bitte an, meine liebste, meine aller-, allerliebste Schwester?«
    »Natürlich.«
    Carl kannte die drei selbstverständlich. Falko Roman war Staatsanwalt in Düsseldorf, und er wusste sogar seine private Telefonnummer. Doch Rose stand eine Enttäuschung bevor.
    »Es meldete sich eine Frau mit einer wundervoll sexy Stimme. Ich hab nach ihm gefragt, aber ich fürchte, die wird ihm nicht ausrichten, dass er mich zurückrufen soll.«
    »Vielleicht war es seine Mutter oder seine Schwester.«
    »Oder seine Tochter oder seine Cousine, klar.« »Die Putzfrau?«
    »Nicht am Sonntag und nicht mir der Stimme. Ich sollte ihn besser vergessen. Aber weißt du – ich habe ihn schon einmal gesehen. In dem Antiquitätenladen.«
    »Ernsthaft? Da hast du schon ausgesehen, als wäre dir eine Erscheinung begegnet.«
    »Ja. Ich fürchte, mich hat’s erwischt.«
    »Lass ein paar Tage vergehen und ruf dann noch mal an. Später erwischst du ihn wahrscheinlich selbst, und dann kannst du sachte vorfühlen, wie ernst es ihm wirklich war.«
    »War für ihn nur ein kleiner Flirt, glaube ich.«
    »Wart es doch ab. Ja, ja, ich weiß, wie schwer warten ist.«
    Ich legte meine Arme um sie und drückte sie an mich. Wir waren zwei dumme, kleine Häschen und weinten ein bisschen um unsere verlorenen Lieben.
    »Das geht auf Dauer nicht so weiter. Los, wir haben noch den halben Sonntag vor uns, Cilly kommt gleich und will mehr von Anna und Rosa hören.«
    »Das soll sie auch, und vor allem soll sie etwas über Valeska erfahren. Das wird sie freuen.«
    Wir breiteten die Blätter des Stundenbuchs wieder aus, und ich zeigte auf eines, auf dem im Vordergrund ein sehr junges Mädchen abgebildet war, das mit einer roten Katze spielte. Dahinter war eine düstere Gasse abgebildet, von Ochsen zertrampelter Untergrund, zerlumpte Wäschestücke hingen an einer Leine zwischen den schiefen, baufälligen Häusern, ein verkrüppelter Bettler lehnte an einer Ecke, eine Mutter saß im Dreck und wiegte ihr Kind und streckte nach Almosen heischend die Hand aus. Darunter standen die Worte aus dem 86. Psalm: »Danken will ich dir, Herr, von ganzem Herzen und ewig deinen Namen ehren. Deine Huld ist so groß über mir. Du hast mein Leben gerettet vor den Tiefen der Unterwelt.«
    »Das mag ja wenigstens stimmen, wenn sie aus dieser Umgebung gerettet wurde.«
    »Ja, hier passt der Spruch zum Bild. Und hier erscheint unsere leibhaftige Valeska!«
    Cilly war verständlicherweise aufgeregt.
    »Geduld, meine Liebe, erst müssen wir der Zauber’- schen noch einen Besuch abstatten!«, sagte Rose und begann.

15. Kapitel
 
 Bei der Hexe
    Sie kamen heimlich zu ihr, nachts zumeist. Sie klopften verstohlen, verschleiert, maskiert, verängstigt an die Hinterpforte. Es waren Menschen aus allen Schichten und Ständen, die sie aufsuchten und um Hilfe baten. Da war die Gattin des Gaffelführers, die Magd aus dem Melatenhaus, der Kapitän

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