Der Beschütze
hatten dazu geführt, dass
sie in einem Stallgebäude außerhalb von Shipcott untergebracht worden waren. Oh, sicher, auf dem Schild am Ende des langen, ausgefahrenen Weges stand »Landhaus-Apartments«, doch die lange, hässliche Reihe »Cottages« war nichts anderes als umgebaute Pferdeställe mit Blumenkästen vor den Fenstern. Und die Besitzerin, eine gebeugte, arthritische Greisin, dachte offenbar, winzige Fernseher und riesige Mikrowellen rechtfertigten die Bezeichnung »Apartment«.
Zu Hause hatte er Sky, auf einem 84-Zoll-Bildschirm mit einem Satz erstklassiger Heimkino-Lautsprecher. Es waren sechs Stück, und sie füllten mit Leichtigkeit den Platz aus, den Debbies Möbel gelassen hatten. Die kostbare Habitat-Garnitur aus den Siebzigern war jetzt ins Haus ihrer Mutter gequetscht worden, drängte dort die Kunstleder-Polstermöbel in die Ecken und machte dem Couchtisch mit der Kunststoffplatte den Platz streitig. Um irgendetwas zu haben, von wo aus er fernsehen konnte, hatte Marvel sich ein billiges Sofa gekauft und machte sich ein Vergnügen daraus, die Füße daraufzulegen – oft mit Schuhen.
Jetzt surfte er zum gefühlten hundertsten Mal durch die Programme. Lange dauerte es nicht. BBC1, BBC2 und ITV1; allerdings war BBC2 unscharf und flackerte. Channel 4 und 5 waren auf diesem Teil des Moors offenbar außer Reichweite. Er stellte sich vor, wie das zweite Testspiel gegen Australien irgendwo über seinem Kopf flimmerte und knisterte und einsam nach einem Receiver suchte, der hoch genug lag, um es zu empfangen, ehe es schließlich schwächer wurde und über dem Heidekraut erlosch, für alle Zeiten für ihn verloren.
Scheiß-Pampa.
Er sah auf die Uhr. Halb elf.
Die Nacht war jung.
Sein Team unglücklicherweise auch. Wie Babys, lagen um zehn in der Falle. Nicht so wie zu seiner Zeit bei der Polizei in London, wo man Dienstschluss hatte, wenn es keine
Arme mehr zum Verdrehen gab und man dann den Rest des Abends im Spearmint Rhino verbrachte. DS Reynolds war ein ganz brauchbarer Cop, doch Marvel konnte ihn sich ebenso wenig dabei vorstellen, wie er einen Zwanziger in einen Stringtanga stopfte, wie in einer Shampooreklame. DS Reynolds’ Haar bildete bedauernswerte Büschel auf seinem Kopf. Manchmal verschmolzen sie fast miteinander, dann wieder war er fast kahl. Reynolds behauptete, das wäre stressbedingt. Scheißschwuchtel.
Marvel fuhr mit der Hand durch sein eigenes Haupthaar und fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis er haarte wie eine Perserkatze. Zuerst würden ihm die Haare ausfallen und dann die Zähne. Dann würden seine Gelenke dran glauben, malte er sich aus. Oder vielleicht sein Augenlicht. Schon jetzt musste er die Augen zusammenkneifen, um die Speisekarte im McDonald’s Drive-thru lesen zu können. Einmal hatte er versucht, einen McFury zu bestellen, hatte gedacht, das wäre ein höllisch scharfer neuer Burger mit jeder Menge Pfeffer. Er und dieses picklige Mädchen im Fenster hätten sich fast geprügelt, bis sie kapierte und ihm mit gewissem Triumph erklärt hatte, dass ein McFlurry ein Eis für kleine Kinder sei. Er hatte eins bestellt, nur um sie zu ärgern, und hatte das Ding beim Wegfahren in die ungefähre Richtung einer Mülltonne geschmissen.
Schon bei der Vorstellung, dass sie ausfallen könnten, schmerzten seine Zähne, also hörte er auf, übers Sterben nachzudenken, und konzentrierte sich auf Margaret Priddy. Er hatte mit der Pflegerin Annette Rogers gesprochen und war sich einigermaßen sicher, dass sie sauber war. Sie schien das mit dem Mitgefühl genauso abzuhandeln, wie er es von einer Krankenschwester erwarten würde – als überlege sie gleichzeitig, was sie zum Abendbrot essen sollte. Das sollte Marvel recht sein; hätte sie wegen Margaret Priddys Tod ein Riesenaufhebens gemacht, so hätte er sie ruckzuck in Gewahrsam genommen.
Es gab noch zwei weitere Betreuer, die sich die Dienste mit Annette Rogers geteilt hatten. Er hatte Reynolds gebeten, sie ausfindig zu machen und zu befragen.
Er zog die dürftige Akte zu sich heran und sah darin nach. Lynne Twitchett und Gary Liss. Ein Pfleger. Marvel hätte abfällig geschnaubt, wäre jemand im Zimmer gewesen, um sein Urteil über Krankenpfleger zu hören. Innerlich wusste er, dass Gary Liss massig, weich und blond war – und schwul wie nur was. Er hätte gutes Geld darauf gewettet.
Er bekam nicht mehr mit, was im Fernsehen lief, während er darüber nachdachte, wie die Ermittlungen ablaufen
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