Der Beschütze
rief Jonas unendlich erleichtert. »Ist alles okay, Lu?«
»Komm nicht hier rauf!«
Sein Kopf und seine Schultern waren bereits durch die Bodenluke, und sie konnte sehen, wie er den Kopf schief legte und mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit spähte. Versuchte, sie auszumachen.
»Liebling, was ist denn los?«
Er stieg noch eine Sprosse höher, so dass er bis zur Taille in den Bodenraum ragte.
»Bleib weg!«
Jonas blieb regungslos stehen. In Lucys Kopf wirbelte alles durcheinander. Das war doch lächerlich. Das da war Jonas. Er war gekommen, um ihr zu helfen, nicht, um ihr etwas zuleide zu tun. Aber sie brauchte ein paar … Erklärungen.
»Ich habe die Stelle gefunden, wo der Knopf fehlt!«, stieß sie hervor.
Von allen Dingen, die er als Nächstes von Lucy zu hören erwartet hatte, war das wirklich das Allerletzte auf der Liste. Jonas hätte fast gelacht. Hätte es auch getan, hätte er das Zittern und die Furcht in Lucys Stimme nicht hören können.
»Was denn für ein Knopf?«
»Der Knopf, den du auf Margaret Priddys Dach gefunden hast. Er gehört zu deiner Uniformhose.«
»Nein, tut er nicht. Ich habe nachgesehen, als ich das Ding gefunden habe. Was soll das alles, Lu? Wie bist du hier raufgekommen?«
»Tut er doch, Jonas. Ich habe eine Uniformhose von dir gefunden, an der ein Knopf fehlt.«
Jonas begriff immer noch nicht, wie das seiner Frau solche Angst machen konnte, dass sie sich auf dem Dachboden versteckte. Sie war doch immer so sachlich und so vernünftig gewesen. Er verstand einfach nicht …
Urplötzlich ließ nackte Panik seine Haut von Kopf bis Fuß kribbeln.
»Lu? Hast du irgendwas genommen? Hast du irgendwas … eingenommen?«
»Nein! Jonas! Irgendetwas ist hier los, aber mit dir, nicht mit mir! Ich glaube … ich glaube, irgendetwas stimmt mit dir nicht , Jonas.«
Er war nicht überzeugt. Der hysterische Tonfall ihrer Stimme machte ihm Sorgen. Er schickte sich an, ganz durch die Bodenluke zu klettern, doch ihr Aufschrei ließ ihn innehalten.
»Bleib da!«
»Okay. Okay, Lu. Ich rühre mich nicht von der Stelle. Ich bleibe, wo ich bin.«
Ein erleichtertes Aufschluchzen kam aus der Dunkelheit.
»Lu, hast du die Laterne?«
»Ja.«
»Kannst du sie anmachen, Schatz? Damit ich dich sehen kann. Damit wir reden können.«
Sie zögerte, dann hörte er, wie sie im Dunkeln herumhantierte, wie sie Tränen hinunterschniefte. Er achtete darauf, nur ja keine Bewegung zu machen, während sie abgelenkt war; sie klang labil genug, um jeden Augenblick durchzudrehen.
Die Laterne leuchtete unnatürlich weiß neben ihr auf und ließ ihr verhärmtes Gesicht gespenstisch aussehen, während das Messer in ihrer Hand funkelte.
Er sah ihre aufgeplatzte, geschwollene Lippe.
»Lucy! Was ist passiert? Bist du hingefallen? Im Badezimmer ist Blut.«
Sie berührte ihre Lippe mit einem zitternden Finger. »Das warst du, Jonas. Als du mich geschlagen hast.«
»Was?«
Lucys Stimme klang klein und kindlich. »Vorhin.«
»Ich habe dich nicht geschlagen, Lu! Das würde ich nie tun! Was zum Teufel läuft hier eigentlich?«
»Du erinnerst dich nicht daran«, flüsterte sie.
»Lu, bitte, du machst mir Angst. Bitte sag mir, was passiert ist. Wieso bist du hier oben? Ist er zurückgekommen? Hat er dir was getan, Lu?«
»Wer?«
»Der Mörder. Der Mann, den ich zur Hintertür rausgejagt habe! Ist er zurückgekommen? Lucy, sag es mir!«
»Du erinnerst dich nicht«, wiederholte sie. »Du weißt nicht mehr, was passiert ist. Du warst jemand anderes.«
»Lucy, ich bin ich. Ich bin nur ich.«
Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Lucy musste irgendetwas genommen haben. Er wollte sich nicht auf ein merkwürdiges, drogenbedingtes Gespräch mit ihr einlassen. Er war der Beschützer. Er musste sie dazu bringen, mit ihm vom Dachboden herunterzukommen, nach unten, wo er sie sich genau ansehen und sie dazu bringen konnte, sich zu übergeben. Vielleicht würde er sie ins Krankenhaus bringen müssen. Der Land Rover könnte es möglicherweise schaffen.
»Lu, ich komme jetzt rauf, okay?«
»Nein!«
»Liebling, ich muss, ich …«
»NEIN! Bleib stehen!«
Wieder hielt er inne, noch immer auf der Leiter, aber jetzt mehr im Bodenraum als draußen.
Sie bemühte sich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Jonas, du musst mir zuhören. Bitte.«
»Ich höre ja zu«, erwiderte er, obgleich er in Wirklichkeit überlegte, ob er sich auf sie stürzen könnte, oder ob es wohl gefährlich wäre, so
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