Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer

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Krankenschwester  – eine robuste Fünfzigjährige namens Annette Rogers  – um zwei Uhr früh nach Mrs. Priddy gesehen hatte, ohne etwas Ungewöhnliches festzustellen, ehe sie sie um Viertel nach sechs tot aufgefunden hatte.
    Trotz der offenkundigen Antwort hatte er Mark Dennis pflichtgemäß gefragt, ob es möglich sei, dass sich eine Frau im Schlaf irgendwie selbst die Nase brechen könnte, wenn sie zudem noch vom Hals abwärts gelähmt war.
    Er hatte Mark Dennis und Annette Rogers zur Tür gebracht und sich dabei alle Mühe gegeben, den Zugangskorridor zum Tatort einzuhalten.
    Er hatte das Schlafzimmerfenster untersucht und rasch Kratzspuren um den Riegel herum entdeckt. Vom Fenstersims ging es nur anderthalb Meter hinunter bis auf das Flachdach des angrenzenden Schuppens.
    Er hatte den Tatort gesichert. Was hier in Shipcott bedeutete,
die Haustür zu schließen und einen Zettel daran zu heften, den er aus seinem Polizei-Notizbuch gerissen hatte. Über das, was auf dem Zettel stand, hatte er sich gründlich Gedanken gemacht. Von »Potenzieller Tatort« (was auf einem linierten Papierfetzen lediglich lächerlich wirkte) über »Polizeieinsatz ! Kein Zutritt!« (zu herrisch) und »Zutritt verboten! « (zu unbestimmt) war er schließlich bei »Bitte nicht stören! « angelangt. Das appellierte an den Anstand der Leute; er war zuversichtlich, dass es funktionieren würde. Und so war es auch.
    Er hatte nach Tiverton gemeldet, dass beim Tod von Mrs. Margaret Priddy, wohnhaft im Big Pot Cottage in Shipcott, möglicherweise nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei, und Tiverton hatte die Dienste des Morddezernats von Taunton angefordert.
    Dies bestand aus einem Team frustrierter Detectives, die sich im Allgemeinen mit ausgeuferten Kneipenschlägereien herumschlagen mussten und damit völlig unterfordert waren. Jonas fand, Marvel hätte eigentlich für diesen Einsatz dankbar sein und ihm nicht so verächtlich begegnen sollen. Ihm war klar, dass der Dorfbobby  – oder »Gemeinde-Streifenbeamte«, wie er offiziell bezeichnet wurde  – in der Hierarchie an allerunterster Stelle stand. Er wusste auch, dass seine Jugend gegen ihn sprach. Jeder Polizeibeamte in seinem Alter, der sein Geld wert war, sollte eigentlich an vorderster Front stehen. Sollte in kugelsicherer Weste bei der Verfolgung krimineller Superhirne und wahnsinniger Bombenleger jedes Hindernis überwinden und nicht Streife gehen, Kindern Standpauken halten und in irgendeinem verschlafenen Nest verirrte Schafe einsammeln. Das war ein Job für einen alten Mann, und Jonas war gerade erst einunddreißig geworden, also roch das Ganze nach Faulheit oder Dummheit. Daher gab Jonas sich alle Mühe, weder faul noch dumm zu erscheinen, als er mit Marvel seine Notizen durchging.

    Es änderte nichts.
    Marvel hörte sich den Bericht des jungen Constable mit glasigem Blick an und fragte dann: »Haben Sie sie angefasst?«
    Jonas blinzelte, dann nickte er  – und lief gleichzeitig rot an.
    Marvel schürzte die Lippen. »Wo?«
    »An der Nase. Dr. Dennis hat gesagt, sie wäre gebrochen, und ich habe sie abgetastet.«
    »Warum?«
    Jonas fühlte, wie sein Gesicht brannte. Alle im Zimmer schienen innegehalten zu haben, um zuzusehen, wie er durch den Wolf gedreht wurde.
    »Ich weiß nicht, Sir. Nur so.«
    »Nur so aus Spaß?«
    »Nein, Sir, der Doktor hat gesagt, sie wäre gebrochen, und ich habe das überprüft.«
    »Weil Sie seine Diagnose bestätigen mussten? Sind Sie qualifizierter als er? Im medizinischen Sinne?« Der Sarkasmus drang Marvel aus jeder Pore, und aus dem Augenwinkel sah Jonas, wie die Cops aus Taunton die Augen verdrehten und einander angrinsten.
    »Nein, Sir.«
    »Hat sie sonst noch jemand angefasst?«
    »Die Krankenschwester, Sir.«
    »War die etwa qualifizierter als Dr. Dennis?«
    »Nein, Sir.«
    Marvel seufzte und hob und senkte hilflos die Arme, wie ein Mann, der die Jagd nach einem Handtaschenräuber aufgibt. »Weitere Mühe zwecklos«, sagte die Geste.
    »Also der Doktor hat sie angefasst. Dann haben Sie sie angefasst. Dann hat die Schwester sie angefasst.«
    Jonas wies Marvel nicht auf die falsche Reihenfolge hin.
    »Ja, Sir.«
    »Niemand sonst?«
    »Nein, Sir.«
    »Bestimmt nicht? Auch nicht der Milchmann? Der Dorftrottel?
Sie haben nicht alle Welt hier raufgeholt, damit sie mal drauftatschen?«
    Ringsum war belustigtes Prusten zu hören.
    »Bestimmt nicht, Sir.«
    Marvel seufzte. »Wie heißen Sie?«
    »PC Holly, Sir.«
    »Haben Sie