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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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einem einzigen knirschenden Schlag zerschmettert worden waren. Letzte Worte, die vor drei Jahren ohne Wissen um das bevorstehende Sterben ihres restlichen Körpers gesprochen worden waren. Vermutlich: »Na los, Buster!«
    »Ich bin froh, dass Sie hier sind, Jonas«, sagte Mark Dennis  – und als er sich umdrehte und ihn ansah, konnte Jonas Holly Betroffenheit auf dem Gesicht des Arztes lesen. Seine Instinkte regten sich unruhig.
    »Ihre Nase ist gebrochen.«
    Beide sahen die Krankenschwester an, deren Lächeln augenblicklich verschwand. Sie eilte herbei und stand neben dem Arzt, als dieser ihre Finger an Margaret Priddys Nasenrücken führte.
    »Sehen Sie?«
    Sie nickte; das Stirnrunzeln machte sie hässlich.
    »Es liegt keine Verletzung der Haut vor, und keine offensichtliche Quetschung oder Prellung«, bemerkte Mark Dennis auf seine typische nachdenkliche Art, die einen rasend machen konnte. »Ich bin ja kein CSI-Experte, aber ich würde sagen, ein Schlag war nicht die Ursache.«
    Jonas hasste Leute, die sich amerikanische Fernsehserien ansahen.
    »Wollen Sie mal fühlen, Jonas?«
    Eigentlich nicht. Aber trotzdem, er war Polizist, und er sollte doch …
    Er schluckte hörbar und berührte die Nase der Toten. Sie war kalt und knorpelig, und Jonas  – ein leidenschaftlicher Vegetarier  – musste an rohe Schweinekoteletts denken. Mark Dennis führte ihm die Hand, und Jonas fühlte, wie die Fraktur in Margaret Priddys Nasenbein unter seinen Fingern knirschte. Jäh überzog Gänsehaut seine Schultern; er ließ los und trat zurück. Unbewusst wischte er sich die Hand am dunkelblauen Stoff seiner Uniformhose ab, ehe ihm klar
wurde, dass das Schweigen  – kombiniert mit zwei Augenpaaren, die ihn fragend ansahen  – bedeutete, dass er das Heft in die Hand nehmen sollte. Dass er etwas Professionelles, Polizeiliches tun sollte.
    »Igitt«, sagte er.
     
    Die Detectives aus Taunton sehen sich bestimmt auch jede Menge amerikanische Fernsehserien an, dachte Jonas, während er zusah, wie sie durch Margaret Priddys winziges Zuhause schritten, gegen Antiquitäten stießen, sich im Flur drängten und die Treppe hinauf- und hinunterpolterten wie Marines, die einen Gartenschuppen stürmten.
    Trotz ihrer Fachkenntnisse auf dem Gebiet verdächtiger Todesfälle wünschte Jonas sich insgeheim, er hätte sie nicht hinzugezogen. Natürlich war es gar nicht möglich gewesen, sie nicht hinzuzuziehen, aber trotzdem …
    Jonas war nicht dafür ausgerüstet, sich mit mehr als dem Alltäglichen auseinanderzusetzen. Er war als einziger Vertreter der Polizei von Avon und Somerset für sieben Dörfer und einen ziemlich großen Abschnitt des Exmoors zuständig, das im Südwesten Englands wie ein grün-violettes Meer auf den Bristol Channel zuwogte, der es von Norden her begrenzte. Die Menschen hier lebten in den Wellentälern. Die heidekrautbewachsenen Kämme überließen sie der Gnade von Sonne, Wind, Regen, Schnee und dem dichten, brackig riechenden Nebel, der ungeachtet der Tatsache, dass dies hier Land war und kein Wasser, vom Meer hereingekrochen kam und die Grenzen zwischen beidem verschwimmen ließ. Die Leute wanderten auf den dem Wetter preisgegebenen Hügeln, ihr Leben jedoch fand ordnungsgemäß in den Furchen und Falten des Exmoors statt, fern vom Blick neugieriger Augen, wo Geräusche nur bis zur nächsten Hügelflanke trugen, bevor sie von einer feuchten Mauer aus Heidekraut und Stechginster erstickt wurden.
    Diese schattigen Senken, wo Menschen gediehen, beherbergten
verborgene Vergangenheiten und vergessene Geheimnisse, wie die großen dunklen Kieselsteine in den unzähligen Bächen, die das Moor durchzogen.
    Das Team vom Morddezernat jedoch, das jetzt das zweihundert Jahre alte Cottage  – zwei Zimmer im ersten Stock, zwei im Erdgeschoss  – mit Lärm und Geschäftigkeit erfüllte, hielt nicht einen Augenblick lang inne, um den Unterströmungen zu lauschen.
    Jonas mochte Detective Chief Inspector Marvel nicht. Nicht nur, weil der Name des rotgesichtigen, korpulenten DCI klang wie der eines unfehlbaren Polizei-Superhelden, sondern weil DCI Marvel sich seinen Bericht, wie Margaret Priddy gefunden worden war, mit einem Ausdruck auf seinem zerknitterten Gesicht angehört hatte, der auf einen üblen Geruch schließen ließ.
    Das war unfair. Jonas fand, dass er sich ganz gut gefangen hatte, nachdem er die Ermittlungen mit jenem schmachvollen »Igitt« eingeleitet hatte.
    Er hatte in Erfahrung gebracht, dass die

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