Der blaue Mond
in Wirklichkeit die ganze Zeit geliebt habe. Na ja, abgesehen von der kurzen Phase, in der ich ihn wirklich gehasst habe. Aber eigentlich habe ich ihn selbst da geliebt. Ich wollte es nur nicht zugeben ...
»Ähm, entschuldige bitte, aber da bin ich anderer Meinung«, sagt sie und lässt sich das kunstvoll zerzauste Haar ins Gesicht fallen. »Erinnerst du dich, wie du ihn nicht einmal zu deiner Halloween-Party eingeladen hast?«
Ich seufze, weil mich das alles dermaßen nervt. Ich will jetzt nur noch ins Klassenzimmer, damit ich so tun kann, als würde ich aufpassen, während ich telepathische Botschaften an Damen schicke.
»Ja, und wenn du dich erinnerst, war das auch der Abend, an dem es zwischen uns losging«, sage ich schließlich, obwohl ich es sofort bereue. Haven war diejenige, die uns knutschend am Pool gefunden hat, und es hat ihr fast das Herz gebrochen.
Doch sie ignoriert das Ganze und ist nun noch entschlossener, ihren Standpunkt zu verfechten, statt auf diesen Ausschnitt aus der Vergangenheit einzugehen. »Vielleicht bist du ja auch eifersüchtig, weil Damen einen neuen Freund hat. Du weißt schon, jemand anderen als dich.«
»Das ist ja lächerlich«, sage ich etwas zu schnell, um glaubwürdig zu sein. »Damen hat massenhaft Freunde«, füge ich hinzu, obwohl wir beide wissen, dass das nicht stimmt.
Sie sieht mich mit geschürzten Lippen an, völlig ungerührt.
»Er hat dich und Miles und ...« Und mich, denke ich, doch ich will es nicht aussprechen, weil es eine traurige kleine Liste ist, und genau das hat sie gemeint. In Wahrheit ist Damen ja nie mit Haven und Miles zusammen, es sei denn, ich bin auch dabei. Er verbringt jede freie Minute mit mir. Und wenn wir nicht zusammen sind, schickt er mir einen steten Strom von Gedanken und Bildern, um die Distanz wettzumachen. Es ist, als wären wir stets verbunden. Und ich muss zugeben, dass mir das gefällt. Denn nur bei Damen kann ich so sein, wie ich wirklich bin - mit meinem Gedankenhören, Energiespüren und Geistersehen. Nur bei Damen kann ich aus der Deckung kommen und mein wahres Selbst zeigen.
Allerdings muss ich mich zwangsläufig fragen, ob Haven nicht vielleicht doch Recht hat. Vielleicht bin ich ja eifersüchtig. Vielleicht ist Roman wirklich nur ein ganz normaler, netter Typ, der auf eine neue Schule gekommen ist und jetzt neue Freunde finden will - ganz im Gegensatz zu der gruseligen Bedrohung, die ich in ihm sehe. Vielleicht bin ich ja wirklich so paranoid, eifersüchtig und besitzergreifend geworden, dass ich mir automatisch einbilde, Damen würde mich gleich ersetzen, nur weil er nicht mehr ganz so auf mich fixiert ist wie sonst. Und wenn das der Fall ist, dann ist es einfach zu erbärmlich, um es zuzugeben. Also schüttele ich nur den Kopf und ringe mir ein falsches Lachen ab, ehe ich antworte. »Wieder lächerlich. Das ist doch alles total lächerlich.« Dann versuche ich so dreinzusehen, als würde ich das ernst meinen.
»Ja? Und was ist dann mit Drina? Wie erklärst du das?« Sie grinst. »Du hast sie vom ersten Augenblick an gehasst, versuch bloß nicht, das abzustreiten. Und als du dann herausgefunden hast, dass sie Damen kennt, hast du sie noch mehr gehasst.«
Ich winde mich innerlich unter ihren Worten - nicht nur, weil das alles stimmt, sondern weil mich der Name von Damens Exfrau regelmäßig zusammenzucken lässt. Ich kann nichts dagegen tun, es ist einfach so. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich das Haven erklären soll. Sie weiß lediglich, dass Drina vorgetäuscht hat, ihre Freundin zu sein, ehe sie sie auf einer Party sitzen ließ und dann für immer verschwand. Sie kann sich nicht daran erinnern, dass Drina sie mit der giftigen Salbe für das gruselige entzündete Tattoo umbringen wollte, das sie sich neulich vom Handgelenk hat entfernen lassen, und sie weiß auch nicht mehr ...
0 mein Gott! Die Salbe! Roman hat Miles eine Salbe für seinen Pickel gegeben! Ich wusste gleich, dass irgendetwas an ihm merkwürdig ist. Ich wusste, dass ich mir das nicht einbilde!
»Haven, was für ein Fach hat Miles gerade?«, frage ich, während ich mit den Augen den Campus absuche. Doch ich kann ihn nicht ausmachen und bin zu sehr in Eile, um die Fernwahrnehmung einzusetzen, die ich ohnehin noch nicht richtig beherrsche.
»Englisch, glaube ich, warum?« Sie mustert mich befremdet.
»Ach, nichts. Ich muss ... muss jetzt los.«
»Okay. Wie du meinst. Aber nur, dass du es weißt, ich glaube immer noch, dass du neue Leute hasst!«,
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