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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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verwässertes Gehirn von den Formen und Vorzügen von Stacias dick aufgepolstertem Busen schwärmt, und kann mich nur fragen, ob das seinem wahren Geschmack bei Frauen entspricht. Ob diese verzogenen, habgierigen, eitlen Mädchen die Art von Frauen sind, die er in Wirklichkeit mag. Und ob ich nur eine merkwürdige Anomalie bin, eine seltsame Anwandlung, die ihm in den letzten vierhundert Jahren immer wieder in die Quere gekommen ist.
    Ich behalte ihn die ganze Stunde hindurch im Auge und beobachte ihn von meinem einsamen Platz ganz hinten. Mechanisch und ohne nachzudenken, beantworte ich Mr. Robins' Fragen, indem ich einfach die Antwort wiedergebe, die ich in seinem Kopf sehe. Meine Gedanken bleiben immer bei Damen, und ich sage mir wieder und wieder, wer er wirklich ist: dass er trotz allem Anschein gutherzig, freundlich, mitfühlend und loyal ist - die unbedingte Liebe meiner zahlreichen Leben. Und dass die Version, die jetzt vor mir sitzt, nicht echt ist, denn ganz egal, wie sehr sich auch einige der gestern offenbarten Verhaltensweisen in ihm widerspiegeln mögen, das ist nicht der echte Damen.
    Als es endlich klingelt, folge ich ihm. Ich beobachte ihn die ganze Sportstunde lang und lungere vor seinem Klassenzimmer herum, während ich eigentlich Leichtathletik treiben sollte. Ich verstecke mich, sowie ich die Aufpasser im Flur nahen fühle, und kehre zurück, sobald sie verschwunden sind. Ich beäuge ihn durchs Fenster und belausche alle seine Gedanken, genau wie die Stalkerin, als die er mich bezeichnet hat. Ich habe keine Ahnung, ob es mich belasten oder erleichtern soll, als ich feststelle, dass seine Aufmerksamkeiten sich nicht allein auf Stacia beschränken, sondern mehr oder weniger jedem Mädchen gelten, das auch nur halbwegs gut aussieht und in seiner Nähe sitzt - es sei denn natürlich, die Betreffende bin ich.
    Und während ich auch noch die dritte Stunde Damen nachspioniere, konzentriere ich mich in der vierten auf Roman. Ich sehe ihm direkt in die Augen, als ich auf meine Bank zugehe, und jedes Mal, wenn ich spüre, dass er mich anpeilt, drehe ich mich um und zeige ihm, dass ich es gemerkt habe. Und obwohl seine Gedanken über mich ebenso banal und peinlich sind wie Damens Gedanken über Stacia, verkneife ich es mir, rot zu werden oder zu reagieren. Ich nicke nur und lächele freundlich, entschlossen, es mit einem Grinsen zu ertragen, denn wenn ich herausfinden will, wer dieser Typ wirklich ist, dann hat es keinen Zweck, ihm aus dem Weg zu gehen wie einem Aussätzigen.
    Als es klingelt, beschließe ich, mich aus dieser Ausgestoßenenrolle als Freak zu befreien, in die man mich gegen meinen Willen gedrängt hat, und gehe schnurstracks auf die lange Tischreihe zu. Ich ignoriere das Raunen in meinem Magen, das mit jedem Schritt schlimmer wird, entschlossen, mir einen Platz zu erobern und bei den anderen aus meiner Klasse zu sitzen.
    Als ich beim Näherkommen Roman nicken sehe, bin ich wider Willen enttäuscht, dass er nicht annähernd so erstaunt ist, wie ich dachte.
    »Ever!« Er lächelt und tätschelt die schmale Lücke direkt neben ihm. »Hab ich es mir doch nicht nur eingebildet. Ist im Unterricht also doch etwas zwischen uns passiert.«
    Ich lächele steif und quetsche mich neben ihn, wobei mein Blick automatisch zu Damen wandert, doch nur für einen Moment, ehe ich mich zwinge wegzusehen. Ich schärfe mir ein, dass ich mich auf Roman konzentrieren muss und mich auf keinen Fall ablenken lassen darf.
    »Ich wusste, dass du irgendwann zur Einsicht kommst. Wenn es nur nicht so lange gedauert hätte. Wir haben so viel nachzuholen.« Er beugt sich vor, wobei mir sein Gesicht so nahe kommt, dass ich die einzelnen Farbflecken in seinen Augen ausmachen kann, glitzernde violette Punkte, in denen man sich so leicht verlieren könnte ...
    »Das ist schön. Ist das nicht schön? Alle sitzen so zusammen - alle sind in Harmonie vereint. Und die ganze Zeit hast nur du gefehlt. Aber jetzt, wo du da bist, ist meine Mission erledigt. Und da dachtest du, es ginge nicht.« Er wirft den Kopf in den Nacken und lacht - die Augen geschlossen und die Zähne gebleckt, während sich der Glanz der Sonne in seinen goldblonden Haaren fängt. Und obwohl ich es nur ungern zugebe, ist er einfach hinreißend.
    Natürlich nicht so wie Damen, nicht einmal annähernd. Roman ist auf eine Art und Weise gut aussehend, die mich an mein altes Leben erinnert - er besitzt genau das richtige Maß an oberflächlichem Charme und gut dosierter

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