Der blaue Mond
verschwunden.
Ich sehe mich um, suche nach jemandem, der mir helfen kann, irgendeine Art Bibliothekarin der Akasha-Chronik, obwohl ich ganz allein hier bin. Ich stütze den Kopf in die Hände und frage mich, wie ich so dumm sein konnte, meinen kleinlichen Eifersuchtsgefühlen und Unsicherheiten freien Lauf zu lassen.
Es ist ja nicht so, dass ich nicht über Damen und Drina Bescheid gewusst hätte oder nicht geahnt hätte, was ich zu sehen bekommen würde. Und jetzt, da ich zu feige war, um es mir anzuschauen und die darin enthaltenen Informationen zu verarbeiten, habe ich noch immer keine Ahnung, wie ich ihn retten kann. Keine Ahnung, wie wir von einem so wundervollen Anfang zu einem so schrecklichen Ende kommen konnten.
Ich weiß nur, dass Roman dafür verantwortlich ist - die jämmerliche Bestätigung dessen, was ich bereits erraten hatte. Irgendwie schwächt er Damen und beraubt ihn seiner Unsterblichkeit. Und wenn ich auch nur die geringste Chance haben will, ihn zu retten, muss ich herausfinden, wie und am besten auch, warum.
Denn ich weiß ganz sicher, dass Damen nicht altert. Er lebt schon seit über sechshundert Jahren und sieht immer noch aus wie ein Teenager.
Ich stütze den Kopf in die Hände und hasse mich selbst für meine Dummheit. Es ist so erbärmlich, dass ich mich selbst um die Möglichkeit gebracht habe, das zu erfahren, weswegen ich hergekommen bin. Ich wünschte, ich könnte die ganze Sitzung zurückspulen und noch mal von vorn anfangen, noch mal neu beginnen ...
»Du kannst nicht noch mal von vorn anfangen.«
Ich wende mich um, als ich hinter mir Romys Stimme höre, und frage mich, wie sie hier hereingekommen ist. Doch als ich mich umsehe, erkenne ich, dass ich gar nicht mehr in dem herrlichen runden Raum bin, sondern wieder in der Halle stehe - gleich neben den Tischen, wo vorhin die Mönche, Priester, Schamanen und Rabbis saßen.
»Und du solltest nie in die Zukunft vorspulen. Denn jedes Mal, wenn du das tust, nimmst du dir selbst den Weg dorthin weg, den Moment der Gegenwart, der ja letztlich das Einzige ist, was wirklich zählt.«
Ich frage mich, ob sie mein Debakel mit der Kristallscheibe meint oder das Leben im Allgemeinen.
Doch sie lächelt nur. »Alles okay?«
Ich zucke die Achseln. Warum soll ich es ihr erklären? Sie weiß es wahrscheinlich ohnehin schon.
»Nö.« Sie lehnt sich an den Tisch und schüttelt den Kopf. »Ich weiß überhaupt nichts. Was dort drinnen passiert, gehört dir und nur dir allein. Ich habe nur deinen entsetzten Schrei gehört und gedacht, ich sehe mal nach. Das ist alles. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Und wo ist deine böse Schwester?«, frage ich, während ich mich umsehe und überlege, ob sie sich wohl irgendwo versteckt hält.
Aber Romy lächelt nur und bedeutet mir, ihr zu folgen. »Sie ist draußen und behält deine Freundin im Auge.«
»Ava ist hier?«, frage ich, erstaunt, wie sehr mich das erleichtert. Vor allem angesichts dessen, dass ich immer noch wütend auf sie bin, weil sie mich einfach so stehen lassen hat.
Doch Romy winkt nur noch ein letztes Mal, ehe sie mich durch die Vordertür zu der Treppe hinausführt, wo Ava wartet.
»Wo bist du denn gewesen?«, frage ich, wobei meine Frage eher wie ein Vorwurf klingt.
»Ich wurde ein bisschen abgelenkt.« Sie zuckt die Achseln. »Dieses Land ist ja so faszinierend. Ich ...« Sie sieht mich an in der Hoffnung, dass ich meinen Ärger ablege und ihr entgegenkomme, und wendet den Blick ab, als sie begreift, dass ich das nicht tue.
»Wie bist du hierher gekommen? Haben dich Romy und Rayne ...« Doch als ich mich umdrehe, sind sie alle beide verschwunden.
Ava blinzelt und spielt mit den frisch manifestierten goldenen Kreolen in ihrem Ohr. »Ich habe mir gewünscht, dich zu finden. Aber irgendwie komme ich nicht hinein.« Sie mustert mit gerunzelter Stirn die Eingangstür. »Ist sie das? Die Halle, die du gesucht hast?«
Ich nicke und mustere ihre teuren Schuhe und die Designer-Handtasche und werde immer wütender. Da nehme ich sie mit ins Sommerland, damit sie mir helfen kann, jemandem das Leben zu retten, und das Einzige, was sie will, ist shoppen.
»Ich weiß«, sagt sie und reagiert damit auf die Gedanken in meinem Kopf. »Ich habe mich hinreißen lassen, und das tut mir leid. Aber ich bin nach wie vor bereit, dir zu helfen, wenn du noch Hilfe brauchst. Oder hast du schon all die Antworten bekommen, die du gesucht hast?«
Ich presse die Lippen aufeinander, senke den Blick und
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