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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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fünfmal mehr bezahlt hat, als sie uns je bisher für unsere beste Ernte gegeben hat.«
    Dulnikker war sprachlos.
    »Geld ist nicht alles, Genossen«, stammelte er. »Worauf es ankommt, ist das Prinzip.«
    »Entschuldigen Sie, Ingenieur«, protestierte Hassidoff. »Ich kann Ihnen nicht folgen. Was ist falsch daran, wenn man für weniger Arbeit mehr verdient?«
    Dulnikkers Gesicht lief rot an, und seine Stirnadern quollen vor und zitterten. Diese Lümmel hatten noch nie in einem so unverschämten Ton mit ihm zu sprechen gewagt! Der Staatsmann hatte schon seit einiger Zeit eine geheime Abneigung gegen den unbegabten kleinen Barbier zu spüren begonnen, der um keinen Deut besser war als die übrigen Dorfbewohner, der jedoch, sowie er zufällig Chef der Gemeindeverwaltung geworden war, sich von Geburt an vom Schicksal für die Stellung bestimmt hielt. Dulnikker bemerkte mit Ekel, daß sich der Barbier mit wütender Hartnäckigkeit an seinen Titel und sein Fahrzeug klammerte, als fürchte er, daß sein Rücktritt das Dorf in Bankrott stürzen würde. Überdies hatte Hassidoff von dem Tag an, als ein ambitionierter junger Mann aus dem Dorf zu seinem Sekretär ernannt worden war, neue Gewohnheiten entwickelt. Erstens verlangte er, daß sein Sekretär ihm wie ein Schleppenträger überallhin folge und auf jeden Ton lausche, den er, der Bürgermeister de facto, äußere. Und noch mehr, die Leute sahen öfter als einmal seinen Adjutanten neben seinem Karren einherlaufen und entsprechend Hassidoffs neuem Brauch, >alles schriftlich< Befehle niederschreiben. In seinem Verlangen, die Berge Papier und den Rest der modernen Ausstattung seines Büros zu benützen, stellte der Bürgermeister fast allen mündlichen Kontakt mit der Öffentlichkeit ein. Wenn seine Kunden neugierig wurden und sich erkundigten, wann der Tnuva-Lastwagen das nächstemal käme, schwieg der Barbier plötzlich eisern und antwortete dann mit Verschwörermiene: »Sie bekommen die Antwort schriftlich.« Und sein Sekretär notierte unverzüglich den Namen des Antragstellers, dem er -innerhalb von zwei Tagen - mit einem der zwölf >Dreitürniks< ein Blatt Papier übersandte, auf dem stand: >Am Mittwoch<. Diese Mitteilung war vom Sekretär unterzeichnet und gestempelt, der dann auf dem persönlichen Karteiblatt des Dorfbewohners vermerkte, daß letzterer schriftlich verständigt worden war.
    »Und diesen abnormalen Bürokraten habe ich zum Bürgermeister gemacht!« stöhnte Dulnikker leise mitten in der Notstandssitzung. Eben als er sich bereit machte, mit dem machtlüsternen Hassidoff zu streiten, betrat einer der Gemeindeboten die Ratskammer und überreichte dem Barbier einen Zettel.
    »Meine Herren!« Hassidoff sprang auf. »Gurewitsch ersucht, daß wir sofort zu ihm kommen. Es ist anscheinend eine wichtige Angelegenheit, da er mir einen Brief schickt.«
    Seit wann konnte der Schuhflicker schreiben? Der Staatsmann nahm dem Barbier den Zettel aus der Hand und sah eine primitive Zeichnung - ein Gekritzel in Form eines großen Schuhs, auf den kleine menschliche Figuren zuliefen, und drei große Ausrufungszeichen.
    Vor dem Haus des Schuhflickers hatte sich eine Menschenmenge versammelt und drängte sich an den Fenstern, um zu sehen, was drinnen vorging, aber nach den Gesichtern zu schließen, fiel es anscheinend allen schwer zu glauben, was sie sahen. Die Karawane der Dorfräte bahnte sich ihren Weg durch die Neugierigen, sie warfen einen Blick nach innen, und auch sie erstarrten verblüfft.
    Was hatten sie gesehen? Mitten im Zimmer stand die kleine Dwora in einem weißen Kleid, neben sich den Krankenwärter in seinem üblichen Aufzug. Zev war etwas dicker geworden, und seine blauen Flecken waren größtenteils verschwunden. Vor den jungen Leuten stand Ja’akov Sfaradi, der etwas aus einem Gebetbuch las. Das Bild wäre unvollständig, ließe man den Schuhflicker aus: Er hatte sich neben der Tür aufgepflanzt, unter seinem Arm ragte der Lauf eines Jagdgewehrs hervor und war unverrückt auf den Krankenwärter gerichtet.
    Nachdem sich die Dorfräte an der ungewöhnlichen Szene satt gesehen hatten, gingen sie um das Haus herum und rüttelten an der Tür, aber sie war versperrt. Ofer Kisch, der Neugierigste im Dorfrat, klopfte ungeduldig, und wenige Sekunden später wurde sie von Gurewitsch geöffnet.
    »Entschuldigen Sie, meine Herren, daß ich Sie nicht persönlich zur Hochzeit eingeladen habe, aber es war unmöglich, die Zeremonie gerade in diesem Augenblick zu

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