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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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laufen zu lassen, als sie selbst vor Schwäche fast zusammenbrachen. Dann gingen sie sehr langsam heim und wurden von ihren Frauen mit der erfrischenden Neuigkeit begrüßt: Aus den Wasserhähnen floß Wasser.
    Von der Stadt aufs Land zurück
    Kaum hatten sich die Leute einen Rausch mit Wasser angetrunken, als ihnen eine neue Überraschung vom Staatsmann angekündigt wurde, der verwirrt aus den Feldern herbeigerannt kam und Alarm schlug, daß am Eingang des Dorfes mitten auf der Straße eine Leiche liege. Einige neugierige, entsetzte Männer kehrten mit dem Staatsmann zu der Stelle zurück und entschieden erleichtert, daß die unbekannte Leiche noch lebte. Zwei stämmige Bauern hoben sie auf und trugen sie ins Dorf zum Haus des Tierarztes. Der Mann war ein ausgemergeltes Gerippe in schmutzigen Lumpen. Sein Gesicht war voller Bartstoppeln, und seine glasigen, rotumränderten Augen quollen reglos hinter einer zerbrochenen Brille vor. Dulnikker erriet sofort, daß die kaum erkennbare Gestalt niemand anderer als sein persönlicher Sekretär war, und sein Verdacht wurde durch die gelbe Aktenmappe gestützt, die der Arme in seinen verkrampften Fingern hielt.
    Die Schuhflickerstochter rannte zu der Erste-HilfeMannschaft hinaus und warf sich auf das menschliche Wrack, weinend vor großer Freude und vor Staunen, daß Zev freiwillig zu ihr zurückgekehrt war. Eben da begannen seine Augen einige Lebensfunken zu zeigen, und er sah in großer Furcht um sich. Dulnikker schlug seinem Sekretär herzlich auf die Knochen, die ihm aus dem Rücken vorstanden, und fragte ihn sanft: »So bist du also zurückgekehrt, mein Freund?«
    Die Frage war sichtlich unnötig, zeitigte jedoch eine seltsame Reaktion. Zev begann am ganzen Leib zu zittern, starrte den
    Staatsmann an, als sehe er Gespenster, und stopfte sich zwei hagere Finger in die Ohren:
    »Aufhören! Um Gottes willen, aufhören!« heulten die Überreste des Ersten Sekretärs. »Ich kann es nicht mehr aushalten! Halten Sie den Mund, Dulnikker, halten Sie den Mund!« Sein Kreischen war so gräßlich und trommelfellzerreißend, daß die Männer Dulnikker flüsternd zuraunten, er möge still sein. Zev warf sich wild herum und fiel seinen Trägern fast aus den Händen. Er wurde erst ruhiger, als man ihn in seinem ehemaligen Zimmer beim Schuhflicker aufs Bett gelegt hatte, wo er durstig zwei Krüge Wasser hinuntergoß. Hermann Spiegel untersuchte ihn und versicherte, daß keine Lebensgefahr bestehe, da er nur einen Sonnenstich erlitten hatte, erschwert durch ungenügende Ernährung.
    Was die Leiden des Sekretärs betraf, so wurden sie erst mit der Zeit bekannt.
    Nachdem er vom Balkon gesprungen war, rannte er heim, stopfte das Nötigste in seine Aktenmappe und fegte wie ein Wirbelsturm zum Lagerhaus. Er erinnerte sich nicht, wie man zur Landstraße kam, hoffte jedoch, daß das Brot und der Saft ausreichen würden, bis er irgendwie auf den Tunnel in der Felswand stieß. Daher ging er auch nach Einbruch der Dunkelheit noch weiter und richtete sich nach den Sternen, um seinen Weg zu finden. Er wählte den Großen Bären, weil er sich aus seinen Pfadfinderzeiten erinnerte, daß dieses Sternbild immer am nördlichen Himmel erscheint. Der Sekretär bahnte sich seinen Weg durch das Unterholz in die entgegengesetzte Richtung zum Großen Bären, um südwärts zu gelangen.
    Gegen Mitternacht beschloß Zev, einige Minuten zu rasten, und brach am Fuß eines Baumes zusammen. Als er aufwachte, war es 4 Uhr 30 nachmittags, und der junge Mann war entsetzt, als er entdeckte, daß der Große Bär spurlos verschwunden war. Unverzüglich öffnete er seine geräumige Aktenmappe, verschlang den Brotlaib und goß die Flasche Saft auf einen Zug hinunter. Aber sein Hunger ließ nicht nach. Er sah seine Aktenmappe durch und entdeckte die >extrastarke< Brieftaube, die er völlig vergessen hatte, in den Oberteil seines Pyjamas eingewickelt und halb erstickt. Mit Hilfe eines abgebrannten Streichholzes schrieb der Sekretär auf ein zerknittertes Stück Papier:
    »Bin auf der Flucht zum Tunnel durch die Wälder. Sendet sofort Expedition. Kräfte lassen nach. Verhungere.«
    Er unterzeichnete mit Dulnikkers Namen, so daß sich Schultheiß beeilen würde, den Lastwagen hinauszuschicken, und fügte zwecks erhöhter Glaubwürdigkeit hinzu: »Sendet auch Reporter.«
    Der Sekretär band der Taube die Notiz mit einem Stück Faden aus seinem Rockaufschlag ans Bein. Dann warf er den Vogel in die Luft, aber der fiel schlapp ins

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