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Der blinde Hellseher

Der blinde Hellseher

Titel: Der blinde Hellseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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habe ich
ihn.“ Klößchen grinste wie ein Posaunenengel. „Huckepack. Und sein Rennrad
hatte ich auf dem Lenker.“
    „Du machst dich“, sagte Gaby.
    Als sie die Wohnung betraten,
stürmte Oskar voller Freude auf Tarzan los. Wie ein Gummiball sprang er an ihm
hoch. Das dauerte etwa drei Minuten. Dann beruhigte Oskar sich, blieb aber
schweifwedelnd neben Tarzan.
    Vor zwei Jahren hatte Gaby den
Cocker-Spaniel aus dem Tierheim geholt. Leider war er auf dem linken Auge
blind. Aber das fiel kaum auf. Woher er kam, wußte niemand. Herzlose Menschen
hatten ihn auf einem Rastplatz an der Autobahn ausgesetzt, dort mit einem
Strick an einer Mülltonne festgebunden.
    „Karl ist noch nicht da“, sagte
Gaby. „Wir können mit dem Entflöhen schon anfangen.“
    „Womit?“ fragten Klößchen und
Tarzan wie aus einem Mund.
    „Oskar hat zwei Flöhe. Aber
allein kriege ich sie nicht. Die Biester sind flink.“
    „Gehen die an Menschen?“ wollte
Klößchen wissen.
    „Nur an Schokoladenesser“,
sagte Tarzan trocken.
    Frau Glockner kam aus der Küche
und begrüßte die Jungs. Sie war eine sehr nette Frau. Meistens bot sie etwas
Schmackhaftes an. Aber jetzt hatte sie’s eilig. Sie mußte hinunter und ihren
Laden öffnen.
    Die Kinder gingen in Gabys
Zimmer. Es war aufgeräumt. Zwei Dutzend Tierbilder hingen an den Wänden. Tiere
— das war nun mal Gabys Leidenschaft. Besonders Hunde hatten es ihr angetan.
Daher hatte sie auch ihren Spitznamen: Pfote. Von jedem Hund nämlich erwartete
sie, daß er ihr die Pfote gab. Und — die meisten taten das auch. Sogar Hunde,
die das Kommando „Gib die Pfote!“ zum ersten Mal hörten.
    Die drei setzten sich auf den
Teppich. Oskar wurde in die Mitte bugsiert. Gaby sagte: „Platz!“, und Oskar gab
die Pfote. Klößchen lachte. Daraufhin wackelte Oskar noch schneller mit seinem
Stummelschwanz.
    Gaby wiederholte ihr Kommando.
Sofort legte sich Oskar auf den Rücken, streckte alle vier Pfoten in die Luft
und erwartete, daß man ihm den Bauch kraulte.
    „Platz! habe ich gesagt!“ sagte
Gaby.
    Klößchen gluckste vor
Vergnügen. „Ein wirklich gut dressierter Hund, Gaby. Wenn er Männchen machen
soll, spielt er wahrscheinlich Klavier. Und wenn er Klavier spielen soll, beißt
er dich in die Wade.“
    „Er versteht genau, was ich
meine“, verteidigte sich Gaby. „Aber manchmal hat er seinen Dickkopf. Dann
macht er nur, was er will.“
    „Wie sein Frauchen“, sagte
Tarzan leise. Aber nicht leise genug.
    „Wer hat hier einen Dickkopf?“
Gaby funkelte ihn an.
    „Ich meine ja nur.“ Tarzan
grinste. „Es heißt doch, daß Herr und Hund sich im Laufe des Zusammenlebens
immer ähnlicher werden. Wahrscheinlich gilt das auch für Frauchen und Hund.“
    Klößchen, der heute seinen
albernen Tag hatte, hielt sich glucksend den Bauch. „Paß nur auf, Pfote, daß du
keine Schlappohren kriegst. Vielleicht steht dir das gar nicht.“
    „Wer weiß!“ flüsterte Tarzan
ihm zu. „Daß sie die Haare so lang trägt, hat vielleicht seinen Grund.“
    „Noch ein Wort!“ drohte Gaby,
während sie Oskar zu sich heranzog. „Und ich schließe euch von der Flohjagd
aus. Willi, du übernimmst Bauch und Hinterteil. Wenn du auf ein kleines Vieh
stößt, das springt — dann ist es...“
    „...der Goldmedaillen-Gewinner
im Hochsprung von Montreal“, kicherte Klößchen.
    „Er versucht alles, um sich zu
drücken“, meinte Tarzan. „Los, Willi! Fang an!“
    Gaby übernahm Kopf, Nacken und
die langen Behänge — wie die Ohren des Cockers fachmännisch genannt werden.
Tarzan sollte Brust und linke Flanke absuchen. Zunächst nur die linke, denn
Oskar lag jetzt auf der Seite.
    Sie begannen. Für einen Moment
hielt Oskar still. Aber dann zappelte er wie ein Zitteraal und gab seufzende
Laute höchsten Entzückens von sich.
    „Laßt euch nicht stören“,
meinte Gaby. „Er ist kitzelig.“
    „Heißt das, er lacht jetzt?“
fragte Klößchen.
    „Na, und wie! Er bebt vor
Lachen.“
    „Hoppla!“ meinte Tarzan. Er
hatte den ersten Floh gefangen und hielt ihn in seiner geschlossenen Faust.
„Einen habe ich. Und jetzt?“
    „Wir werfen ihn aus dem
Fenster“, sagte Gaby. „Umgebracht wird er nicht. Auch ein Floh ist ein Tier.
Und was kann ein Floh dafür, daß er ein Floh ist.“
    Tarzan rannte zum Fenster. Die
beiden folgten ihm. Auch Oskar war dabei. Das Fenster wurde aufgerissen.
    Mit einer Schleuderbewegung
schüttelte Tarzan seine Faust aus. „Hoffentlich bricht er sich nicht das
Genick. Es ist

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