Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
um ein Auge hervorzubringen, ändern würden. Wenn wir sie auf nur 100 Schritte reduzieren, was wahrscheinlich eine zu niedrige Schätzung ist, so kommen wir zu dem Schluß, daß der Satz möglicher bewohnbarer Umwelten, die sozusagen in den Kulissen warten müssen, um den wie auch immer gearteten zufälligen Schritten der Stammesgeschichte gewachsen zu sein, mehr als 1000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 beträgt. Das ist zwar eine kleinere Zahl als die vorherige, aber sie bedeutet immer noch, daß die große Mehrheit von Dovers in den Kulissen wartenden »Umwelten« aus weniger als einem einzelnen Atom bestehen müssen.
    Warum die Theorie der natürlichen Auslese nicht selbst auch gegen eine symmetrische Zerstörung durch eine Version des »Arguments der großen Zahlen« anfällig ist, verdient eine Erklärung. In Kapitel 3 haben wir uns alle realen und denkbaren Tiere als in einem gigantischen Hyperraum sitzend vorgestellt. Hier tun wir etwas Ähnliches, vereinfachen aber, indem wir die evolutionären Verzweigungspunkte als Gabelungen und nicht 18-Weg-Verzweigungen annehmen. So sitzt der Satz aller möglichen Tiere, die sich in 1000 Evolutionsschritten entwickelt haben könnten, auf einem gewaltigen Baum, der sich verzweigt und weiter verzweigt, so daß schließlich die Zahl der Zweige eine 1 mit 301 Nullen beträgt. Jede tatsächliche Evolutionsgeschichte läßt sich als ein spezieller Weg durch diesen hypothetischen Baum darstellen. Von allen denkbaren Evolutionspfaden fand nur eine Minderheit tatsächlich jemals statt. Wir können uns den Großteil dieses »Baumes aller möglichen Tiere« als in der Dunkelheit der Nichtexistenz verborgen vorstellen. Hier und da sind ein paar Wege durch den verdunkelten Baum beleuchtet. Das sind die Evolutionspfade, die tatsächlich Wirklichkeit gewesen sind; und so zahlreich diese beleuchteten Zweige auch sind, sie sind immer noch eine unendlich kleine Minderheit aus der Gesamtheit aller Zweige. Die natürliche Auslese ist ein Vorgang, der in der Lage ist, seinen Weg durch den Baum aller denkbaren Tiere zu suchen und gerade jene Minderheit von Pfaden zu finden, die gangbar sind. Die Theorie der natürlichen Auslese kann nicht von dem Argument gewaltiger Zahlen angegriffen werden, wie die Theorie Dovers, weil es zum Wesen der Theorie der natürlichen Auslese gehört, daß sie fortwährend einen Großteil der Zweige des Baumes wegschneidet. Genau das tut die natürliche Auslese. Sie sucht sich ihren Weg, Schritt für Schritt, durch den Baum aller denkbaren Tiere und vermeidet die nahezu unendlich große Mehrheit steriler Ästetiere mit Augen in den Fußsohlen usw. - die die Doversche Theorie, aufgrund ihrer sonderbaren umgekehrten Logik, zulassen muß.
    Wir haben uns jetzt mit allen angeblichen Alternativen zu der Theorie der natürlichen Auslese befaßt, außer mit der ältesten - der Theorie, daß das Leben von einem bewußten Baumeister geschaffen oder daß die Evolution von einem überlegenen Gehirn geplant und gelenkt wurde. Es wäre offensichtlich in ungerechter Weise leicht, wollten wir irgendeine spezielle Version dieser Theorie angreifen, etwa diejenige (oder vielleicht die beiden), die in der Genesis dargestellt ist. Fast alle Völker haben ihre eigenen Schöpfungsmythen hervorgebracht, und die Schöpfungsgeschichte der Bibel ist lediglich der Mythos, der zufällig von einem bestimmten nahöstlichen Hirtenvolk übernommen wurde. Sie hat keinen anderen oder bedeutenderen Status als der Glaube eines bestimmten westafrikanischen Stammes, daß die Welt aus Ameisenexkrementen geschaffen wurde. Allen diesen Mythen ist gemeinsam, daß sie von den absichtlichen Intentionen einer Art übernatürlichen Wesens abhängig sind.
    Auf den ersten Blick müssen wir einen wichtigen Unterschied machen zwischen den zwei Thesen, die wir »unmittelbare Schöpfung« und »gelenkte Evolution« nennen können. Diejenigen unter den modernen Theologen, die ein wenig differenzierter denken, haben es aufgegeben, an unmittelbare Schöpfung zu glauben. Das Beweismaterial zugunsten irgendeiner Art von Evolution ist zu überwältigend geworden. Aber viele Theologen, die sich selbst als Evolutionisten bezeichnen, etwa der in Kapitel 2 zitierte Bischof von Birmingham, schmuggeln Gott durch die Hintertür ein: Sie räumen ihm eine Art Überwacherrolle ein über den Verlauf, den die Evolution genommen hat, bei der er entweder entscheidende Momente in der Evolutionsgeschichte (besonders natürlich der

Weitere Kostenlose Bücher