Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Fledermäusen weiß man seit langem, daß sie anstelle von Stakkato-Schnalzlauten oder abfallenden »Machopfiffen« lange Schreie mit fester Tonhöhe ausstoßen. Wenn ich lang sage, so meine ich lang nach Fledermausmaßstäben. Die »Schreie« sind immer noch weniger als eine Zehntelsekunde lang. Und oft ist, wie wir sehen werden, an das Ende jedes Schreis ein »Machopfiff« angehängt. Stellen wir uns zuerst vor, eine Hufeisennase sendet ein kontinuierliches Ultraschallsummen aus, während sie rasch auf ein unbewegliches Objekt, etwa einen Baum, zufliegt. Die Wellenfronten werden mit erhöhter Geschwindigkeit auf den Baum auftreffen, da sich die Fledermaus auf diesen zubewegt. Wäre in dem Baum ein Mikrophon versteckt, so würde es »hören«, wie die Tonhöhe des Schalls, weil sich die Fledermaus bewegt, durch den Dopplereffekt hochgetrieben wird. Es ist zwar kein Mikrophon im Baum, aber das vom Baum zurückgeworfene Echo wird auf gleiche Weise nach oben verschoben. Während die Wellenfronten des Echos von dem Baum zur sich nähernden Fledermaus zurückströmen, fliegt die Fledermaus immer noch mit hoher Geschwindigkeit auf den Baum zu. Daher tritt in der Wahrnehmung der Fledermaus ein weiterer Dopplereffekt der Echotonhöhe nach oben ein. Die Flugbewegung der Fledermaus provoziert eine Art doppelten Dopplereffekt, dessen Größenordnung ein präziser Hinweis auf die Geschwindigkeit der Fledermaus relativ zum Baum ist. Durch den Vergleich der Tonhöhe ihres Schreis mit der des zurückkommenden Echos könnte die Fledermaus (oder vielmehr ihr Bordcomputer im Gehirn) theoretisch daher ausrechnen, wie schnell sie sich auf den Baum zubewegt. Daraus würde sie zwar nicht erkennen, wie weit der Baum entfernt ist, aber es könnte nichtsdestoweniger immer noch eine sehr nützliche Information sein.
Wenn das echoreflektierende Objekt kein feststehender Baum wäre, sondern ein Insekt, so wären die Doppler-Konsequenzen komplizierter, aber die Fledermaus könnte immer noch den Geschwindigkeitsunterschied zwischen ihrer eigenen Bewegung und der ihres Ziels ausrechnen, was offensichtlich gerade die Information ist, die ein so hochkomplizierter gelenkter Flugkörper wie eine jagende Fledermaus benötigt. Obendrein nutzen einige Fledermäuse einen Trick, der noch interessanter ist als nur das einfache Ausstoßen von Schreien von konstanter Tonhöhe und das Messen der Tonhöhe des zurückkommenden Echos. Sie regulieren die Tonhöhe der ausgesandten Schreie sorgfältig, so daß die Tonhöhe des Echos trotz des Dopplereffekts konstant bleibt. Während sie auf ein sich bewegendes Insekt zuschießen, ändert sich die Tonhöhe ihrer Schreie fortwährend, um genau die Tonhöhe zu finden, die das zurückkehrende Echo auf einer konstanten Höhe einspielt. Dieser geniale Trick hält das Echo auf der Tonhöhe, die die Ohren der Fledermäuse am besten empfangen - was wichtig ist, da ja die Echos so schwach sind. Sie erhalten nun die für die Dopplereffekt-Berechnungen nötige Information, indem sie die Tonhöhe regulieren, in der sie ihren Schrei ausstoßen müssen, um das Echo in konstanter Frequenz zurückzuerhalten. Ich weiß nicht, ob es von Menschenhand gebaute Geräte gibt, Sonar oder Radar, die sich dieses subtilen Kunstgriffs bedienen. Aber wenn die schlauesten Ideen auf diesem Gebiet zuerst von Fledermäusen entwickelt worden sind, will ich gerne auf eine positive Antwort setzen.
Wir dürfen mit Recht erwarten, daß diese beiden recht verschiedenen Techniken, die Dopplereffekt-Technik und die »Zirpradar«-Technik, für verschiedene spezielle Zwecke nützlich sind. Einige Arten von Fledermäusen spezialisieren sich in der ersten der beiden Techniken, andere in der zweiten. Einige Arten scheinen zu versuchen, das Beste aus beiden Techniken herauszuholen, indem sie den berühmten Pfiff mit modulierter Frequenz an das Ende (oder manchmal an den Anfang) eines langen »Schreis« mit konstanter Frequenz anhängen. Ein weiterer interessanter Trick der Hufeisennasen hängt mit den Bewegungen ihrer äußeren Ohren zusammen. Anders als andere Fledermäuse bewegen Hufeisennasen ihre Ohrmuscheln rasch wechselnd vorwärts und rückwärts. Vermutlich verursacht diese zusätzliche rasche Bewegung der Hörfläche weitere nützliche Dopplereffekt-Modulationen, denen die Tiere zusätzliche Informationen entnehmen. Wenn sich das Ohr in Richtung auf die Echoquelle hinbewegt, steigt die scheinbare Geschwindigkeit an. Bewegt es sich zurück, so
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