Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
nächste Problem, das unserem Ingenieur einfallen könnte, ist folgendes. Wenn das Sonarsystem den Abstand von Zielen dadurch feststellt, daß es die Dauer der Stille zwischen dem Ausstoß eines Schalls und seinem zurückkehrenden Echo mißt - die Methode, die Rousettus in der Tat zu benutzen scheint -, so müßten die Laute sehr kurze, Stakkato-Impulse sein. Ein langgezogener Laut würde noch anhalten, wenn das Echo zurückkehrte, und würde, selbst wenn er zum Teil von Sende/Empfang-Muskeln gedämpft würde, die Ortung der Echos stören. Ideale Fledermaus-Orientierungsrufe sollten tatsächlich sehr kurz sein. Aber je kürzer ein Laut ist, um so schwieriger ist es, ihn so wirkungsvoll zu machen, daß er ein ordentliches Echo produziert. Es sieht so aus, als würden uns die Gesetze der Physik hier eine weitere bedauerliche Beschränkung auferlegen. Zwei Lösungen könnten einem genialen Ingenieur einfallen. Ja, sie fielen den Ingenieuren tatsächlich ein, als, wiederum bei der Radartechnik, dasselbe Problem anstand. Welche der beiden Lösungen vorzuziehen ist, hängt davon ab, ob es wichtiger ist, Reichweite (wie weit ein Gegenstand vom Gerät entfernt ist) oder Geschwindigkeit (wie schnell der Gegenstand sich relativ zum Gerät bewegt) zu messen. Die erste Lösung ist den Radaringenieuren als Fledermausradar (»Zirpradar«) bekannt.
Wir können uns Radarsignale als eine Reihe von Impulsen vorstellen, aber jeder Impuls besitzt eine sogenannte Trägerfrequenz, die der »Tonhöhe« eines Schall- oder Ultraschallimpulses entspricht. Fledermausschreie haben, wie wir gesehen haben, eine Impulsfrequenz in der Größenordnung von Vielfachen von zehn oder hundert pro Sekunde. Jeder dieser Impulse hat eine Trägerfrequenz von Zehntausenden bis Hunderttausenden von Schwingungen pro Sekunde (Hertz). Mit anderen Worten, jeder Impuls ist ein hoher schriller Schrei. Ähnlich ist jeder Radarimpuls ein »schriller Schrei« von Radiowellen, ein Schrei mit hoher Trägerfrequenz. Das besondere Charakteristikum des Zirpradars besteht darin, daß die Trägerfrequenz während der Dauer jedes Schreies nicht konstant ist. Vielmehr saust sie ungefähr eine Oktave auf- und abwärts. In der Welt des Schalls entspricht jede Radaremission einem jener beifälligen Pfiffe, die attraktiven Frauen nachgesendet werden. Der Vorteil des Zirpradars im Gegensatz zu dem Impuls mit konstanter Tonhöhe ist, daß es nicht darauf ankommt, ob das ursprüngliche Zirpen noch anhält, wenn das Echo zurückkommt. Sie können nicht miteinander verwechselt werden, weil das entdeckte Echo zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine frühere Phase des Zirpens widerspiegelt und daher eine andere Tonhöhe besitzt.
Menschliche Radaringenieure haben diese geniale Technik gut zu nutzen gewußt. Gibt es einen Beweis dafür, daß Fledermäuse sie auch »entdeckt« haben, geradeso wie es bei dem Sende/Empfang-System der Fall war? Tatsächlich erzeugen zahlreiche Fledermausarten Schreie, deren Tonhöhe absinkt, und zwar gewöhnlich um ungefähr eine Oktave. Man bezeichnet diese »Machopfiff«-Schreie als Frequenzmodulation (FM). Sie scheinen genau das zu sein, was zur Ausnützung der »Zirpradar«-Technik erforderlich wäre. Allerdings lassen die bisher vorliegenden Befunde vermuten, daß Fledermäuse die Technik nicht dazu benutzen, ein Echo von dem ursprünglichen Ton, der das Echo erzeugte, zu unterscheiden, sondern für die subtilere Aufgabe, Echos von anderen Echos zu unterscheiden. Eine Fledermaus lebt in einer Welt von Echos, die von nahen, entfernten und allen dazwischenliegenden Objekten kommen. Sie muß diese Echos voneinander unterscheiden. Wenn sie abwärts schleifende »Machopfiff«- ähnliche Zirplaute ausstößt, so ist eine saubere Sortierung nach Tonhöhe möglich. Wenn ein Echo von einem weit entfernten Objekt schließlich wieder bei der Fledermaus ankommt, ist es ein »älteres« Echo und wird daher einen höheren Ton haben als eines, das gleichzeitig von einem näher gelegenen Objekt zurückkehrt. Wenn die Fledermaus zugleich auf mehrere Echos stößt, die von verschiedenen Gegenständen zurückkommen, so kann sie die Faustregel anwenden: Höherer Ton bedeutet weiter entfernt.
Die zweite schlaue Idee, die ein Ingenieur haben könnte, besonders einer, der sich für die Geschwindigkeitsmessung eines beweglichen Ziels interessiert, ist die Ausnützung dessen, was die Physiker als Dopplereffekt bezeichnen. Man kann diesen Effekt auch Ambulanzeffekt nennen, denn seine
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