Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Zeitverzögerung messen, bis wir das Echo hören, und daraus berechnen, welche Entfernung es bis zur Wand sein muß.
Wir bekommen ebensowenig eine Vorstellung davon, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, wie wir durch folgende Maßnahme einen Eindruck davon gewinnen, wie es ist, Farben zu sehen: Man benutze ein Instrument zur Messung der Wellenlänge des Lichts, das auf unser Auge trifft. Ist sie lang, sehen wir Rot, ist sie kurz, sehen wir Lila oder Blau. Es ist eine physikalische Tatsache, daß das Licht, welches wir rot nennen, eine größere Wellenlänge hat als das Licht, das wir als blau bezeichnen. Die jeweiligen Wellenlängen sprechen die rot-empfindlichen bzw. die blau-empfindlichen Sehzellen in unserer Retina an. Aber unser subjektives Farbempfinden weiß nichts von Wellenlängen. Nichts an dem, »wie es sich anfühlt«, Blau oder Rot zu sehen, verrät uns, welches Licht die längere Wellenlänge hat. Sollte das einmal wichtig sein (gewöhnlich ist es das nicht), so müssen wir uns einfach daran erinnern oder (was ich immer tue) in einem Buch nachschlagen. So ähnlich nimmt eine Fledermaus die Position eines Insekts wahr, indem sie sich des Phänomens bedient, das wir Echos nennen. Aber gewiß denkt die Fledermaus, wenn sie ein Insekt wahrnimmt, ebensowenig in Echoverzögerungen, wie wir in Wellenlängen denken, wenn wir Blau oder Rot wahrnehmen.
Wenn wir wirklich gezwungen wären, das Unmögliche zu versuchen und uns vorzustellen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, so würde ich annehmen, daß Echoorten für sie eher so ist wie für uns Sehen. Wir sind derart durch und durch visuelle Lebewesen, daß wir uns kaum dessen bewußt sind, wie schwierig Sehen ist. »Da draußen« sind Gegenstände, und wir glauben, daß wir sie dort draußen »sehen«. Ich habe jedoch den Verdacht, daß der von uns wahrgenommene Gegenstand in Wahrheit ein kompliziertes Computermodell in unserem Gehirn ist, konstruiert auf der Grundlage einer von außen kommenden Information, die aber im Kopf so gestaltet wird, daß sie genutzt werden kann. Wellenlängenunterschiede im Licht werden im Computermodell in unserem Kopf als »Farb«- Unterschiede kodiert. Gestalt und andere Merkmale werden in ähnlicher Weise gleichfalls so kodiert, daß sie bequem zu handhaben sind. Die Sehempfindung ist für uns völlig verschieden von der Hörempfindung, was aber nicht direkt am physikalischen Unterschied zwischen Licht und Schall liegt. Sowohl Licht als auch Ton werden schließlich von den entsprechenden Sinnesorganen in dieselbe Art von Nervenimpulsen übersetzt. Aus den physikalischen Attributen eines Nervenimpulses läßt sich unmöglich entnehmen, ob er Informationen über Licht, Schall oder Geruch weitergibt. Der Grund dafür, daß die Empfindung des Sehens sich so stark von der des Hörens und des Riechens unterscheidet, liegt darin, daß unser Gehirn darauf besteht, für die Welt des Sehens, des Schalls und des Geruchs jeweils unterschiedliche Sorten von inneren Modellen zu benutzen. Weil wir unsere visuelle Information und unsere Schallinformation in unserem Inneren auf verschiedene Arten und zu verschiedenen Zwecken benutzen, sind die Empfindungen von Sehen und Hören so verschieden. Der Grund ist nicht direkt der physikalische Unterschied zwischen Licht und Schall.
Eine Fledermaus benutzt ihre Schall information zu ziemlich genau demselben Zweck wie wir unsere visuelle Information. Sie bedient sich des Schalls, um die Position von Gegenständen im dreidimensionalen Raum wahrzunehmen und diese Wahrnehmung kontinuierlich auf den neuesten Stand zu bringen, geradeso wie wir das Licht nutzen. Sie benötigt daher einen Typ von internem Computermodell, der für die innere Wiedergabe veränderlicher Positionen von Gegenständen im dreidimensionalen Raum geeignet ist. Ich will damit sagen, daß die Form, die die subjektive Erfahrung eines Tieres annimmt, eine Eigenschaft des inneren Computermodells sein wird. Dieses Modell wird im Verlauf der Evolution auf seine Eignung zur nützlichen inneren Wiedergabe hin entworfen, unabhängig von den physikalischen Reizen, die es von außen erhält. Fledermäuse wie auch wir Menschen brauchen dieselbe Art von innerem Modell zur Repräsentation der Position von Gegenständen im dreidimensionalen Raum. Die Tatsache, daß Fledermäuse ihr inneres Modell mit Hilfe von Echos bauen, während wir unseres mittels Licht konstruieren, ist nicht relevant. Die von außen kommende Information wird auf ihrem Weg ins
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