Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Gehirn in jedem Fall in dieselbe Art von Nervenimpulsen übersetzt.
Ich vermute daher, daß Fledermäuse weitgehend ähnlich »sehen« wie wir, obgleich das physikalische Medium, das die Außenwelt in Nervenimpulse übersetzt, so ganz anders ist - Ultraschall statt Licht. Es ist sogar möglich, daß Fledermäuse Empfindungen, die wir Farbe nennen, für ihre eigenen Zwecke zur Wiedergabe von Unterschieden in der Außenwelt benutzen, die zwar nichts mit der Physik der Wellenlängen zu tun haben, für die Fledermaus aber eine funktionale Rolle spielen, ähnlich der, die Farben für uns haben. Vielleicht haben männliche Fledermäuse fein strukturierte Körperflächen, so daß die Echos, die von ihnen reflektiert werden, von den Weibchen als »prächtig gefärbt« wahrgenommen werden und damit in der Welt des Schalls etwa dem Hochzeitskleid eines Paradiesvogels entsprechen. Ich meine das nicht nur als vage Metapher. Es ist gut möglich, daß die subjektive Empfindung, die ein Fledermausweibchen hat, wenn es ein Männchen wahrnimmt, tatsächlich, sagen wir einmal, »leuchtend rot« ist: dieselbe Empfindung, die ich habe, wenn ich einen Flamingo sehe. Oder anders gesagt: Die Wahrnehmung eines Fledermausweibchens von seinem Paarungspartner unterscheidet sich vielleicht nicht stärker von meiner visuellen Wahrnehmung eines Flamingos, als meine visuelle Empfindung eines Flamingos sich von der visuellen Wahrnehmung unterscheidet, die ein Flamingo von einem anderen Flamingo hat.
Donald Griffin berichtet, was geschah, als er und sein Kollege Robert Galambos im Jahre 1940 zum ersten Mal vor einer erstaunten Zoologenkonferenz von ihrer neuen Entdeckung der Fledermaus-Echoortung berichteten. Einer der dort versammelten berühmten Wissenschaftler war derart indigniert und ungläubig, daß »er Galambos an den Schultern faßte und ihn schüttelte, während er sich beklagte, daß wir eine derart unerhörte These unmöglich ernst nehmen könnten. Radar und Sonar galten immer noch als hochklassige Entwicklungen der Militärtechnik, und die Vorstellung, daß Fledermäuse etwas könnten, was auch nur entfernt dem neuesten Triumph der Elektronik vergleichbar war, empfanden die meisten Leute als nicht nur unglaubhaft, sondern auch als emotional abstoßend«.
Man kann das einem ausgeprägten Skeptiker leicht nachfühlen. Es ist etwas sehr Menschliches an seiner mangelnden Bereitschaft, diese Entdeckung zu akzeptieren. Und damit haben wir den Finger auf die Wunde gelegt: menschlich ist es. Gerade weil unsere eigenen menschlichen Sinne nicht fähig sind, das zu tun, was die Fledermäuse tun, ist es für uns schwer, daran zu glauben. Weil wir Menschen es nur mit Hilfe künstlicher Instrumente und zu Papier gebrachter mathematischer Berechnungen verstehen können, fällt es uns schwer, uns vorzustellen, daß ein kleines Tier das in seinem Kopf kann. Doch die mathematischen Berechnungen, die nötig wären, um die Prinzipien des Sehens zu erklären, sind genauso komplex und schwierig, und niemand hat jemals irgendwelche Schwierigkeiten gehabt zu glauben, daß kleine Tiere sehen können. Der Grund für diesen doppelten Maßstab unseres Skeptizismus liegt ganz einfach darin, daß wir sehen, aber nicht echoorten können.
Ich kann mir eine andere Welt vorstellen, in der eine Konferenz gelehrter und völlig blinder, fledermausähnlicher Kreaturen baß erstaunt ist, wenn man dort von Lebewesen erzählt, die Menschen genannt werden und die tatsächlich in der Lage sind, die jüngst entdeckten unhörbaren Strahlen, die »Licht« genannt werden und immer noch Gegenstand äußerst geheimer militärischer Entwicklungen sind, dazu zu benutzen, um sich zurechtzufinden. Diese ansonsten unauffälligen Menschen sind fast völlig taub (nun ja, ein wenig können sie schon hören und sogar ein paar langsame, tief grollende Knurrlaute ausstoßen, aber sie benutzen diese Laute lediglich zu rudimentären Zwecken wie für die Verständigung miteinander; sie scheinen nicht fähig zu sein, sie dazu zu benutzen, um wenigstens die größten Gegenstände zu entdecken). Sie haben statt dessen hochspezialisierte Organe, »Augen« genannt, die »Licht«strahlen ausnutzen. Die Sonne ist die Hauptquelle der Lichtstrahlen, und die Menschen schaffen es sehr gut, sich die komplexen Echos, die von den Gegenständen abspringen, wenn diese von Sonnenlichtstrahlen getroffen werden, nutzbar zu machen. Sie besitzen einen genialen Mechanismus, den sie »Linse« nennen und der
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