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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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mathematisch so berechnet zu sein scheint, daß er diese geräuschlosen Strahlen derart bricht, daß eine exakte 1:1-Entsprechung zwischen den in der Welt vorhandenen Gegenständen und einem »Bild« auf einer als »Retina« bezeichneten Zellschicht entsteht. Diese Retinazellen sind in der Lage, das Licht auf eine geheimnisvolle Weise sozusagen »hörbar« zu machen, und geben ihre Information ans Gehirn weiter. Unsere Mathematiker haben gezeigt, daß es theoretisch möglich ist, sich, wenn man die richtigen, hochgradig komplexen Berechnungen durchführt, mit Hilfe dieser Lichtstrahlen sicher durch die Welt zu bewegen, und zwar genauso gut wie auf die gewöhnliche Weise durch Anwendung des Ultraschalls - in mancher Hinsicht sogar noch effizienter! Aber wer hätte gedacht, daß ein so bescheidenes Menschlein diese Berechnungen durchführen kann?
    Die Echoortung der Fledermäuse ist nur eins unter Tausenden von Beispielen, die ich für mein Argument über den trefflichen Entwurf hätte herausgreifen können. Tiere wirken so, als seien sie von einem theoretisch hochbegabten und praktisch genialen Physiker oder Ingenieur entworfen worden; aber es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, daß die Fledermäuse selbst die Theorie genauso kennen oder verstehen wie ein Physiker. Man sollte sich die Fledermaus als dem Gerät vergleichbar vorstellen, das die Polizei für ihre Radarfallen benutzt, nicht der Person, die jenes Gerät konstruiert hat. Der Konstrukteur des Polizeiradars verstand die Theorie des Dopplereffekts und drückte dieses Verständnis in mathematischen Gleichungen aus, die sich niederschreiben und nachvollziehen lassen. Das Verständnis des Konstrukteurs steckt im Entwurf des Geräts, aber das Gerät selbst versteht nicht, wie es funktioniert. Es enthält verdrahtete elektronische Teile, die automatisch zwei Radarfrequenzen vergleichen und das Resultat in ablesbare Einheiten umsetzen - in Kilometer pro Stunde. Der dazu erforderliche Rechenvorgang ist kompliziert, liegt jedoch innerhalb der Fähigkeiten eines kleinen Kastens mit richtig verkabelten modernen elektronischen Komponenten. Natürlich war es ein hochentwickeltes bewußtes Gehirn, das die Verdrahtung vorgenommen hat (oder zumindest das Schaltbild entworfen hat), aber an der alltäglichen Funktion des Kastens (im Einsatz als Radargerät) ist kein bewußtes Gehirn beteiligt.
    Unsere Erfahrung mit Elektronik bereitet uns auf den Gedanken vor, daß geistlose Maschinen sich so verhalten, als verstünden sie komplizierte mathematische Ideen. Dieser Gedanke ist direkt auf funktionierende lebende Maschinen übertragbar. Eine Fledermaus ist eine Maschine, deren innere Elektronik so verdrahtet ist, daß ihre Flügelmuskeln sie auf ein Insekt zuschießen lassen wie ein lebloses gelenktes Geschoß auf ein Flugzeug. Soweit ist unsere aus der Technik abgeleitete Intuition korrekt. Doch unsere technologische Erfahrung läßt uns auch annehmen, daß hinter der Entstehung hochentwickelter Maschinerie ein bewußter und planender Konstrukteur steht. Diese zweite Intuition ist falsch, wenn es sich um lebende Maschinen handelt. Im Fall der lebenden Maschinerie ist der »Konstrukteur« die unbewußte natürliche Auslese - der blinde Uhrmacher.
    Ich hoffe, der Leser ist angesichts dieser Fledermausgeschichten ebenso mit ehrfurchtsvollem Staunen erfüllt wie ich, und wie es William Paley gewesen wäre. In einer Hinsicht war mein Ziel mit dem Paleys identisch. Ich möchte, daß der Leser die großartigen Werke der Natur nicht unterschätzt, ebensowenig wie die Probleme, denen wir uns bei ihrer Erklärung gegenübersehen. Die Echoortung der Fledermäuse war zu Paleys Zeit noch unbekannt, aber sie hätte diesem Zweck ebenso gut gedient wie eines von Paleys eigenen Beispielen. Paley schärfte seinen Zeitgenossen sein Argument durch eine ungeheure Zahl von Beispielen ein. Er ging den ganzen Körper durch, von Kopf bis Fuß, und zeigte, wie jeder Teil, jede kleinste Einzelheit dem Innenleben einer bewundernswert gestalteten Uhr entsprach. Auf vielerlei Weise würde ich gerne dasselbe tun, denn es gibt wunderbare Geschichten zu erzählen, und ich erzähle leidenschaftlich gern Geschichten. Aber es ist nicht notwendig, so viele Beispiele anzuführen. Eins oder zwei reichen völlig aus. Die Hypothese, die die Navigation der Fledermäuse erklärt, eignet sich auch gut für jede andere Frage in der Welt des Lebendigen, und wenn Paleys Erklärung für eins seiner Beispiele falsch war,

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