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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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lassen. Die Theorie des blinden Uhrmachers ist ungeheuer überzeugend, vorausgesetzt, es ist uns erlaubt, Replikationen und somit kumulative Selektion anzunehmen. Wenn aber die Replikation komplizierte Maschinen braucht, so stehen wir hier vor einem Problem, da die einzige uns bekannte Art und Weise, wie komplizierte Maschinen schließlich entstehen, die kumulative Selektion selbst ist.
    Gewiß weist die moderne Zellmaschinerie, die Apparatur zur DNS-Replikation und Proteinsynthese, alle Kennzeichen einer hochentwickelten, speziell hergestellten Maschine auf. Wir haben gesehen, wie verblüffend akkurat sie Daten speichert. Auf ihrer Ebene der Ultraminiaturisierung verfügt sie über dasselbe Maß an Verfeinerung und Komplexität des Entwurfs wie das menschliche Auge auf einer gröberen Ebene. Alle, die über diese Frage nachgedacht haben, sind sich darin einig, daß ein solch komplexer Apparat wie das menschliche Auge unmöglich durch Ein-Schritt-Auslese entstehen konnte. Leider scheint dieselbe Voraussetzung zumindest auf Teile des Systems der Zellmaschinerie zuzutreffen, mit der sich die DNS selbst verdoppelt, und zwar nicht nur auf die Zellen von fortgeschrittenen Geschöpfen wie uns Menschen und Amöben, sondern auch für relativ primitivere Kreaturen wie Bakterien und blaugrüne Algen.
    Die kumulative Auslese kann also Komplexität herstellen, die Ein-Schritt-Selektion nicht. Aber die kumulative Auslese kann nicht funktionieren, solang nicht irgendeine minimale Replikationsmaschinerie und Replikatormacht vorhanden ist, und die einzige Replikationsmaschinerie, die wir kennen, scheint zu kompliziert; sie kann nur in vielen Generationen kumulativer Selektion entstanden sein! Einige erkennen darin den fundamentalen Makel der ganzen Theorie vom blinden Uhrmacher und den letzten Beweis für einen Planer; nicht für einen blinden, sondern für einen weitblickenden übernatürlichen Uhrmacher. Vielleicht, so argumentieren sie, kontrolliert der Schöpfer nicht die tagtägliche Aufeinanderfolge evolutionärer Ereignisse; vielleicht gestaltete er weder Tiger noch Lamm, vielleicht machte er den Baum nicht; aber er tat etwas anderes: Er schuf die ursprüngliche Maschinerie des Sichselbstreproduzierens und die Replikatormacht, die ursprüngliche Maschinerie von DNS und Protein, die die kumulative Selektion und somit die gesamte Evolution möglich machte.
    Das ist offensichtlich ein schwaches Argument, ja es ist ein Argument, das sich unverkennbar selbst schlägt. Was zu erklären uns schwerfällt, ist organisierte Komplexität. Sobald es uns erlaubt ist, organisierte Komplexität einfach vorauszusetzen, und sei es auch nur die organisierte Komplexität der DNS-Eiweiß-Replikationsmaschine, so ist es relativ leicht, diese als Erzeuger von noch besser organisierter Komplexität heranzuziehen. Das ist in der Tat der Punkt, um den es in diesem Buch hauptsächlich geht. Aber natürlich muß jeder Gott, der etwas so Kompliziertes wie die DNS-Eiweiß-Replikationsmaschine entwerfen kann, selbst mindestens ebenso komplex und organisiert sein wie diese Maschine selbst. Noch bei weitem komplexer, wenn wir davon ausgehen, daß er zusätzlich auch noch derart fortgeschrittene Funktionen ausfüllen kann wie Gebete anhören und Sünden vergeben. Die Entstehung der DNS-Eiweiß-Maschine zu erklären, indem wir einen übernatürlichen Baumeister heraufbeschwören, bedeutet, daß wir absolut gar nichts erklären, denn es läßt den Ursprung des Baumeisters unerklärt. Man muß so etwas sagen wie: »Gott war immer da«, und wenn wir uns so einen faulen Ausweg erlauben, dann könnten wir genausogut sagen: »DNS war immer da«, oder: »Leben war immer da«, und damit wäre die Angelegenheit erledigt.
    Je mehr wir uns von Wundern, enormen Unwahrscheinlichkeiten, phantastischen Fällen von Koinzidenz, gewaltigen Zufällen entfernen, je gründlicher wir gewaltige Zufälle in eine kumulative Serie kleiner Zufälle aufbrechen können, um so eher werden wir rationale Geister mit unseren Erklärungen zufriedenstellen können. In diesem Kapitel aber fragen wir, ein wie unwahrscheinliches, wie wunderbares einzelnes Ereignis wir voraussetzen dürfen. Welches ist das größte einzelne Ereignis schierer nackter Koinzidenz, schieren unverfälschten wunderbaren Glückszufalls, das man in unserer Theorie gerade noch zulassen kann, ohne bezweifeln zu müssen, daß wir eine zufriedenstellende Erklärung des Lebens geliefert haben? Damit ein Affe durch bloßes

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