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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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G. Wenn G mutiert, so bedeutet die Veränderung einen entscheidenden Unterschied in der normalerweise von dem Gen G spezifizierten Aminosäuresequenz und somit in der aufgerollten Gestalt des Proteinmoleküls.
    Diese geringfügig geänderten Proteinmoleküle werden von den eiweißherstellenden Maschinen im Innern der sich entwickelnden Gehirnzellen in Serie hergestellt. Sie wiederum fungieren als Enzyme, Maschinen, die in den Zellen andere Präparate herstellen, die Genprodukte. Die Produkte des Gens G finden ihren Weg in die die Zelle umgebende Membran und sind an den Prozessen beteiligt, mit denen die Zelle Verbindungen zu anderen Zellen herstellt. Wegen der geringen Änderung in den ursprünglichen DNS-Plänen ändert sich die Produktionsrate von einigen dieser Membranpräparate, was seinerseits die Art und Weise verändert, in der gewisse sich entwickelnde Gehirnzellen miteinander verbunden werden. Eine geringfügige Veränderung im Schaltplan eines speziellen Teils des Bibergehirns ist eingetreten, die indirekte, in der Tat weit entfernte Konsequenz einer Veränderung im DNS-Text.
    Nun ist es aber zufällig so, daß dieser spezielle Teil des Bibergehirns wegen seiner Lage im gesamten Schaltplan am Dammbauverhalten des Bibers beteiligt ist. Natürlich sind große Teile des Gehirns beteiligt, wann immer der Biber einen Damm baut, aber wenn die G-Mutation diesen besonderen Teil des Gehirnschaltplans des Bibers beeinflußt, hat die Veränderung einen spezifischen Effekt auf das Verhalten. Sie veranlaßt den Biber, seinen Kopf im Wasser etwas höher zu halten, während er mit einem Holzkloben im Kiefer schwimmt, höher als ein Biber ohne die Mutation. Dadurch wird es ein bißchen weniger wahrscheinlich, daß Schlamm an dem Holz während des Transports abgewaschen wird, was die Haftfähigkeit des Holzklobens erhöht und bedeutet, daß der auf den Damm geworfene Kloben mit größerer Wahrscheinlichkeit dort liegen bleibt. Und das trifft auf alle Kloben zu, die von Bibern mit dieser speziellen Mutation angeschleppt werden. Die stärkere Haftfähigkeit der Holzkloben ist eine Konsequenz, wiederum eine sehr indirekte Konsequenz, einer Änderung im DNS-Text.
    Durch die stärkere Haftfähigkeit der Holzblöcke wird der Damm solider und bricht vermutlich weniger leicht auseinander. Folglich wird der von dem Damm angestaute See größer und in der Mitte vor Feinden sicherer. Dadurch wird die Zahl der erfolgreich großgezogenen Jungen des Bibers zunehmen. Betrachten wir die gesamte Biberpopulation, so werden im Durchschnitt jene, die das mutierte Gen besitzen, eine größere Nachkommenschaft aufziehen als jene ohne das mutierte Gen. Die Nachkommen werden Archivkopien eben dieses geänderten Gens von ihren Eltern erben. Daher wird in der Population im Verlauf der Generationen diese Form des Gens zunehmen: Schließlich wird es zur Norm werden und nicht länger den Titel »mutant« beanspruchen können. Und im Schnitt werden Biberdämme um ein weiteres Stückchen besser geworden sein.
    Die Tatsache, daß diese spezielle Geschichte hypothetisch ist und daß die Einzelheiten falsch sein können, ist irrelevant. Der Biberdamm entwickelte sich durch natürliche Auslese; so kann das wirkliche Geschehen nicht sehr verschieden sein von der Geschichte, die ich erzählt habe, höchstens in praktischen Einzelheiten. Die allgemeinen Implikationen dieser Sicht des Lebens sind in meinem Buch The Extended Phenotype erklärt und ausführlich dargestellt, und ich wiederhole die Beweisführung an dieser Stelle nicht. Der Leser wird bemerkt haben, daß die Kausalkette, die das veränderte Gen mit dem besseren Überleben verbindet, in dieser Geschichte nicht weniger als elf Glieder besitzt. Im wirklichen Leben können es sogar noch mehr sein. Jedes einzelne dieser Glieder, sei es nun eine Auswirkung auf die Chemie im Innern einer Zelle, eine spätere Auswirkung auf die Vernetzung von Gehirnzellen miteinander, ein sogar noch späterer Effekt auf das Verhalten oder ein schließlicher Effekt auf die Seegröße, wird korrekt als durch eine Veränderung in der DNS verursacht angesehen. Es machte keinen Unterschied, wenn es 111 Glieder wären. Jeder beliebige Effekt, den eine Veränderung in einem Gen auf seine eigene Replikationswahrscheinlichkeit ausübt, wird zum Spielball für die natürliche Auslese. Es ist alles völlig einfach und ergötzlich automatisch und unvorbedacht. Wenn die grundlegenden Zutaten der kumulativen Selektion - Replikation,

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