Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
nicht etwas schrecklich Mittelalterliches? Erinnert es nicht an die Zeit, als die Kirche lehrte, unsere Erde sei der Mittelpunkt des Universums und die Sterne seien nichts anderes als kleine Stecknadelköpfe aus Licht, die zu unserem Entzücken am Himmel befestigt worden seien (oder, in sogar noch absurderer Anmaßung, daß die Sterne sich besonders anstrengen, um astrologische Einflüsse auf unser kleines Leben auszuüben?). Wie arrogant anzunehmen, daß unter all den Trillionen Planeten im Weltall unser kleines Hinterstübchen einer Welt, in unserem besonderen lokalen Hinterstübchen eines Sonnensystems, in unserem besonderen lokalen Hinterstübchen einer Galaxie, ausgesucht worden sei, um das Leben zu beherbergen? Warum, um Himmels willen, gerade unser Planet?
Es tut mir ehrlich leid, denn ich bin herzlich dankbar dafür, daß wir der Engstirnigkeit der mittelalterlichen Kirche entronnen sind, und ich verabscheue moderne Astrologen, aber ich fürchte, meine Auslassungen über die Hinterstübchen im vorigen Absatz sind einfach leere Rhetorik. Es ist sehr wohl möglich, daß unser Hinterstübchenplanet allen Ernstes der einzige ist, der je Leben getragen hat. Der springende Punkt ist: Wenn es nur einen einzigen Planeten gäbe, der jemals Leben getragen hat, dann müßte es unser Planet sein, aus dem sehr einleuchtenden Grund, daß »wir« hier sitzen und das Problem erörtern: Wenn der Ursprung des Lebens tatsächlich ein derart unwahrscheinliches Ereignis ist, daß es nur auf einem einzigen Planeten im Universum geschah, dann muß dieser Planet unser Planet sein. Somit können wir die Tatsache, daß es auf der Erde Leben gibt, nicht zur Schlußfolgerung benutzen, Leben müsse so wahrscheinlich sein, daß es auch auf einem anderen Planeten entstanden sein könnte. Ein solches Argument wäre ein Zirkelschluß. Wir brauchen einige unabhängige Beweisgründe für das Thema, wie leicht oder wie schwer es für das Leben ist, auf einem Planeten zu entstehen, bevor wir überhaupt damit beginnen können, die Frage zu beantworten, wie viele andere Planeten im Universum Leben besitzen.
Aber das ist nicht unsere Eingangsfrage. Unsere Frage lautete: Wie viel glücklichen Zufall dürfen wir in einer Theorie über die Entstehung des Lebens auf der Erde voraussetzen? Ich sagte, die Antwort hänge davon ab, ob Leben nur einmal oder viele Male entstanden sei. Beginnen wir damit, einer noch so niedrigen Wahrscheinlichkeit, daß das Leben auf einem aufs Geratewohl herausgegriffenen Planeten irgendeines speziellen Typs entstehen wird, einen Namen zu geben. Nennen wir diese Zahl die spontane Entstehungs-Wahrscheinlichkeit oder SEW. Wir gelangen zu der SEW, wenn wir uns über unsere Chemielehrbücher setzen oder im Laboratorium Funken durch plausible Mischungen atmosphärischer Gase schicken und die Chance ausrechnen, daß in einer typischen Planetenatmosphäre spontan sich reproduzierende Moleküle zu existieren beginnen. Nehmen wir an, daß unsere beste Schätzung der SEW irgendeine sehr, sehr kleine Zahl ist, etwa 1 in einer Milliarde. Diese Wahrscheinlichkeit ist offensichtlich derart gering, daß wir nicht die schwächste Hoffnung haben, einen solch phantastischen Glücksfall, ein solch wunderbares Ereignis wie die Entstehung des Lebens in unseren Laborexperimenten zu wiederholen. Doch wenn wir annehmen, was wir um der Beweisführung willen sehr wohl tun dürfen, daß das Leben nur einmal im Universum entstanden ist, so folgt daraus, daß es uns gestattet ist, eine sehr große Menge Glück in einer Theorie vorauszusetzen, denn es gibt so viele Planeten im Universum, wo das Leben hätte entstehen können. Wenn es, wie eine Schätzung annimmt, 100 Trillionen Planeten gibt, so ist dies 100milliardenmal mehr als sogar die sehr niedrige SEW, die wir vorausgesagt haben. Schließen wir dieses Argument ab: Die maximale Menge an Glückszufall, die uns gestattet ist, bevor wir eine spezielle Theorie über die Entstehung des Lebens ablehnen, hat eine Chance von 1 bis N, wobei N die Zahl aller geeigneten Planeten im Universum ist. Zwar steckt eine Menge in dem Wort »geeignet«, aber setzen wir der maximal gestatteten Menge an Glückszufall eine obere Grenze von 1 in 100 Trillionen.
Stellen wir uns vor, was das bedeutet. Wir gehen zu einem Chemiker und sagen ihm: Hol deine Rechenmaschine heraus, spitze deinen Bleistift und deinen Verstand, füll dir den Kopf mit Formeln und die Flaschen mit Methan und Ammoniak und Wasserstoff und
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