Der Blumenkrieg
junger Sidhe aus dem hintersten Weißdorn bist, dann ist es eine Sache, auf Krawallbrüder zu schießen, die dich mit Steinen erschlagen oder mit Streubrandzaubern verbrennen wollen, doch eine ganz andere, normale Männer, Frauen und sogar Kinder niederzumähen, deine eigenen Leute, die vor dir stehen und sich weigern zu gehorchen. Zumal wenn du weißt, wie viele der Schutzleute gewußt haben müssen, daß sie im Recht sind und die Herren, denen du dienst, im Unrecht.«
»Aber wenn die Blumenfürsten abserviert sind, wer wird dann regieren? Wer hat die Macht?«
»Das ist genau die Frage, Bürschchen«, sagte Apfelgriebs.
Wuschel zuckte die Achseln. »Das weiß niemand. Der König und die Königin sind verschwunden. Deshalb sind das auch so wichtige Tage zur Zeit. Warte, ich zeig dir was, Theo.« Sie waren an der Brücke angekommen, und Wuschel ging als erster die Wendeltreppe vom Ufer hinauf. Zwei Goblins mit Lanzen – Theo konnte nicht erkennen, ob sie Grimbolde waren oder lediglich wie diese bewaffnet – unterzogen sie oben einer kurzen Kontrolle und ließen sie dann durch. »Komm hier herüber.« Wuschel winkte ihn an den Rand der Brücke.
Erst nachdem er eine Weile in die Nacht gespäht hatte, wurde Theo klar, daß die über eine weite Fläche versprengten trüben Lichter vor ihm die Stadt waren. »Sie sieht ziemlich anders aus. Wie ein ausgehendes Lagerfeuer oder so was.«
»Soldaten unter dem Befehl des neuen Rats – in dem jetzt Elfen aller Art, Goblins, sogar Querze sitzen und zusammenarbeiten, wenigstens fürs erste – sind ausgeschickt worden, alle Sklaven aus den Kraftwerken zu befreien, die Werke zu schließen und abzusperren. Es gibt in dieser Stadt keine Energie mehr, die nicht von den Leuten selbst erzeugt wird«, erläuterte Wuschel. »Das da drüben sind Feuer, Kerzen, Laternen. Ein paar Leuchtzauber, aber die meisten Leute heben sich ihre Kraft für wichtigere Sachen auf und sorgen lieber dafür, daß ihre Familien zu essen und ein Dach über dem Kopf haben. Die Innenstadt ist dunkel, die Gebäude stehen leer. Es ist eine neue Welt, und bis jetzt weiß noch niemand, was für eine Welt das ist.«
Als Theo die Stadt das letzte Mal gesehen hatte, hatte sie geleuchtet wie die Auslagen in einem Juwelierschaufenster, strahlend hell wie Diamanten, Rubine und Saphire. Jetzt machte es den Eindruck, als ob alle Edelsteine von Bernstein und Topas ersetzt worden wären, ein altertümliches Licht, verschleiert und geheimnisvoll, aber irgendwie auch befriedigend. »Du sagtest, der König und die Königin wären verschwunden.«
»Aus den Ruinen des Doms auf dem Alten Hügel. Möglicherweise sind sie tot, richtig tot diesmal, aber ich bezweifle, daß das sein kann. Vielleicht sind sie einfach … weitergezogen. In anderer Gestalt. Niemand weiß es. Ich vermute, daß ganze Universitätsfachbereiche jahrhundertelang mit diesen Fragen beschäftigt sein werden.« Er nahm Theo am Arm und führte ihn weiter die Brücke entlang. Wuschel hatte sich mit Sicherheit verändert. Er strahlte jetzt eine gewisse Ruhe aus, eine innere Schwere, die seine übrigen Eigenschaften vorteilhafter zur Geltung kommen ließ. »Geh jetzt weiter!« sagte der Querz und deutete auf das Brückenhaus. »Knopf erwartet dich.«
»Nimm mich mal kurz hoch, Theo«, befahl Apfelgriebs.
Als Theo sie in der Hand hielt, trat Wuschel Segge ein paar Schritte zurück, um sie ungestört reden zu lassen. »Bist du glücklich?« erkundigte sich Theo.
»Mit Wuschel? Er ist ein feiner Kerl. Sanft und lieb wie ein Frühlingsregen. Ein bißchen wortkarg manchmal, aber dafür rede ich genug, daß es für uns beide reicht.« Als sie ihn ansah, hatte ihr kleines Gesicht im Fackelschein etwas Eulenhaftes. »Mach dir um mich keine Sorgen, Theo. Ja, ich bin glücklich. Und was du auch tust, ich denke, du wirst auch glücklich sein. Ich wollte nur noch sagen … hm, daß ich stolz auf dich bin. Du bist nicht annähernd so ein Riesenroß, wie ich befürchtet hatte.«
Er lachte. »Das hätte ich gern schriftlich.«
Apfelgriebs schnaubte. »Als ob von deinen sonstigen Freunden jemand lesen könnte.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, stützte sich mit einer Hand an seinem Kinn ab und gab ihm einen Kuß in den Mundwinkel, leicht und kühl wie eine Schneeflocke, kurz bevor sie schmilzt. »Wenn du uns verläßt, werden wir dich nie vergessen. Und damit meine ich nicht Wuschels Geschichtsbuchquatsch. Ich meine die Leute, die dich gern haben.«
»Wie
Weitere Kostenlose Bücher