Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
Ähnlichkeit mit Katharina: rote Haare, blasse, durchscheinende Haut, eine schlanke Gestalt. Während Wolfgang sich schlicht und dunkel kleidete wie sein Vater, schien Roland eine Vorliebe für leuchtende Farben zu haben, die ihm ein wenig das Aussehen eines Pierrots verliehen – unfreiwillig gewiss, denn er wirkte griesgrämig und verschlossen.
„Wo ist Katharina?“, rutschte es Eugen heraus. Er hielt die junge Frau, die er bei den Hunden kennen gelernt hatte, für Lorenz’ Tochter. Sie war in etwa im Alter der beiden Söhne, trug den Familiennamen „von Adlerbrunn“, und wenn er noch Zweifel gehabt hatte, wurden sie von der frappierenden Ähnlichkeit zu Roland ausgeräumt.
Lorenz hob die Augenbrauen ein wenig. „Katharina?“, wiederholte er und ging ansonsten nicht auf die Frage ein. „Wie findest du die Auswahl der Speisen?“
„Ich würde sie gerne malen.“
„Was? Katharina?“ Der Baron starrte ihn an. Seine Miene veränderte sich nur leicht, und doch nahm sie alle Charakteristika einer Teufelsfratze an. Die großen, kräftigen Hände des Freiherrn zerrten am Saum seiner Lederweste, und es knarrte vernehmlich, als erinnere sich das Kleidungsstück an die Qualen des Hirschs, aus dessen Haut es gefertigt war.
Eugen schluckte. „Nein, ich … Sie sprachen eben von den Speisen, und ich … ich sagte, ich würde sie gerne …“
Lorenz’ Gesicht entspannte sich, aber nicht sehr. „Du sollst keine eingelegten Rüben malen, mein Lieber. Das wäre eine Verschwendung deines Talents. Jetzt, wo ich dich in meine Obhut genommen habe, wirst du Gemälde schaffen, die von innerer Stärke bersten. Du wirst viel kräftiges Grün brauchen, für die Wälder, tiefes, stickiges Braun für die Erde. Und natürlich Rot. Sattes, dunkles Rot für den Schweiß des Wilds.“
Eugen musste sich an einem der Stühle festhalten, so mächtig war der Eindruck der mit Leidenschaft vorgebrachten Worte. Er hatte das Gefühl, einem Streit mit dem Baron nur um Haaresbreite entgangen zu sein. Er unterdrückte ein aufkommendes Schwindelgefühl und mahnte sich zur Vorsicht. Manche Väter wachten eifersüchtig und drohend über ihre Töchter wie die Drachen der Märchen über gefangene Prinzessinnen. Bislang hatte er nichts über die Familienverhältnisse des Lorenz von Adlerbrunn gewusst. Sie kannten sich erst seit zwei Wochen, und der Freiherr hatte bei ihren kurzen Begegnungen fast nichts über sich erzählt. Von den beiden Söhnen hatte Eugen eben erst erfahren, in dem Augenblick, in dem er ihnen die Hand drückte.
Er war Lorenz von einem seiner Lehrer empfohlen worden. Den Baron verlangte es offenbar nach einem Ölmaler, der für ihn einige stimmungsvolle, pulsierende Jagdszenen auf die Leinwand bannte, und Eugen seinerseits war verzweifelt auf der Suche nach einem Auftraggeber und Mäzen, denn sein Vater verprasste das Familienvermögen beim Glücksspiel und hatte ihm seit Jahren keine finanzielle Unterstützung mehr angedeihen lassen. Zwar war er der älteste Sohn, doch erben würde er eines Tages nur Schulden und ein zur Ruine verkommenes Landhaus. Wie das bei Künstlern nun einmal so war – Leute strömten nur so in Eugens ärmliches Atelier, um seine Werke zu bestaunen, doch so großzügig und überschwänglich sie mit ihrem Lob waren, so geizig verhielten sie sich, wenn es darum ging, eines der Bilder käuflich zu erwerben. Aufträge gab es bisweilen: Er sollte wandfüllende Gemälde für den Gegenwert von mehreren warmen Mahlzeiten anfertigen. Schon die Kosten zur Herstellung der Farben lagen weit über den ihm angebotenen Honoraren.
Auch der Freiherr von Adlerbrunn war nicht das, was man freigiebig nennen mochte, und Eugen konnte nicht behaupten, sich in seiner Gegenwart wohl zu fühlen. Immerhin sprach Lorenz freimütig und offen mit ihm über den Punkt der Entlohnung, und was er ihm in Aussicht stellte, war, wenn schon nicht ideal, dann doch um ein Vielfaches höher als die üblichen unverfrorenen Angebote. Eugen spürte in dem düsteren, reservierten Adligen eine Eigenschaft, die ihm bei den ernüchternden Erfahrungen der letzten Jahre wichtiger geworden war als alles andere im Leben: Aufrichtigkeit. Lorenz mochte ein reizbarer, eigenbrötlerischer Kauz sein, doch Eugen fühlte, dass er ihm vertrauen konnte. Der Baron wollte ihn beherrschen, ihm befehlen, mit ihm spielen, ihn einschüchtern vielleicht, aber eines wollte er nicht: ihn betrügen.
Wann immer der Mann ihm unheimlich wurde, hielt er sich dies vor
Weitere Kostenlose Bücher