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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Wirklichkeit war, mochte sie höchstens ein paar Jahre älter sein als Wolfgang – vermutlich war sie sogar wesentlich jünger als dieser. Lorenz war wohl in seinen Vierzigern, und dass er zum zweiten Mal geheiratet hatte (nach dem Tode seiner ersten Frau etwa), war mitnichten etwas Ungewöhnliches oder Seltenes. Das erklärte sehr gut den deutlichen Altersunterschied zwischen den Eheleuten.
    Doch woher stammte diese verblüffende Ähnlichkeit zwischen Katharina und Roland? Eine Ähnlichkeit, wie sie nur zwischen Mutter und Sohn oder Schwester und Bruder auftreten konnte. Sie konnten aber keines von beiden sein, denn Lorenz hatte gewiss nicht seine eigene Tochter geehelicht.
    Eine üppige Frau winkte ihm von gegenüber mit der Weinflasche zu. Eugen hielt ihr mechanisch sein Glas hin und ließ es mit der rubinroten Flüssigkeit füllen.

7
    „Spielen Sie Schach?“
    Die Frage wurde Eugen im späteren Verlauf des Banketts gestellt, von einem großgewachsenen Mann mit buschigem weißblondem Bart. Als neben dem Maler ein Platz frei wurde, hatte er sich dort hingesetzt, und Eugen wurde das Gefühl nicht los, dass er schon einige Zeit auf diese Gelegenheit gewartet hatte.
    „Schach?“ Eugen war nicht unglücklich, aus Gedanken gerissen zu werden, die ihn ohnehin nur im Kreis herum führten. Er blickte ungläubig auf sein Weinglas, das immer voll zu sein schien, wie oft er auch daraus trank. Und er hatte es an diesem Abend wohl schon hundert Mal zu winzigen Verlegenheitsschlucken an seine Lippen gesetzt. „Als Knabe habe ich mit meinen jüngeren Brüdern gespielt.“ Verklärt sah er ins Leere, als die Szenen der Erinnerung vor ihm entstanden. „Ich fürchte, wir haben nie mehr als einen Zug weit in die Zukunft geschaut. Wir … schlachteten unsere Bauern und Offiziere geradezu ab und … standen immer völlig überrascht vor dem Schachmatt.“
    Sein Gegenüber zeigte ein breites Lachen, das seinen Bart in zwei Teile schnitt. „Das königliche Spiel“, erwiderte er, sichtlich erfreut, dass Eugen sich auf das Gespräch einließ. „Kinder sind in solchen Dingen erquickend natürlich. Ich persönlich hatte auch oft den Eindruck, dass kein König dieser Welt so lange nachdenken würde, ehe er seine Untergebenen in den sicheren Tod schickt, wie einer dieser … verstaubten Gestalten, die das Spiel so entsetzlich ernst nehmen.“
    „Da werden Sie leider recht haben.“ Eugen streckte seine Hand aus. „Mein Name ist Eugen von Degenhart. Ich bin …“
    „Maler, ich weiß“, sagte der andere und drückte die Hand kraftvoll. „Meine Frau hat mir viel über Sie erzählt. Sie betetet Sie geradezu an.“ Er nickte schräg über den Tisch, wo eine dunkle und bezaubernde Dame saß, die ihn schon die ganze Zeit über anlächelte. Er hatte sich schon ein wenig gewundert, warum sie sich den ganzen Abend lang nicht neben ihn gesetzt hatte. Er hatte angenommen, sie nehme Rücksicht auf ihren Mann. Doch jetzt schien es ihm, als bliebe sie dort sitzen, weil sie ihn von der anderen Seite aus besser betrachten konnte.
    Die Sache wurde ihm etwas unbequem, und er überlegte fieberhaft, was er dem gewiss angefressenen Ehemann der rassigen Schönheit (eine Italienerin?) antworten sollte. Doch dieser klopfte ihm leutselig auf die Schulter und lachte ihm zu. „Ich verstehe nicht viel von Malerei“, sagte der Bärtige. „Bleiben wir doch beim Schach, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
    Eugen machte es nichts aus. Er redete gerne über Schach und überhaupt über alle erdenklichen Themen, nur nicht über … verletzte Ehre und blutige Duelle, die deswegen ausgefochten werden mussten. Wie schlecht er mit dem Gewehr umgehen konnte, hatte er heute unter Beweis gestellt. Der Eber war ihm zu Unrecht zugesprochen worden. Und einen Degen konnte er auch besser zeichnen als führen, auch wenn er ständig einen mit sich herumtrug – im Familiennamen …
    „Ihren Worten entnehme ich, dass Sie das Räuberschach kennen“, meinte der Mann, die schwere Pranke, die die Hand des Barons noch übertraf, weiterhin auf seiner Schulter. „Wir spielen Räuberschach. Es ist eine Tradition. Morgen Nachmittag, wenn wir alle unseren Rausch ausgeschlafen haben. Es erfrischt den Geist ungemein nach einem solchen Gelage.“
    „Ich fürchte, die genauen Regeln müssen Sie mir erklären.“ Unwillkürlich bewegte er die Schultern, doch sein Gegenüber nahm seine Hand nicht weg.
    „Regeln? Ach, das ist einfach! Man spielt es wie das gewöhnliche Schach, mit einem

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