Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
festgebunden, gingen umher, wie zuvor. Und es schien, als wären ein paar davon so dunkel, dass der Schein der Lampe sie nicht erreichte. Sie wusste genau, welche Box es war, obwohl der Stall jetzt anders aussah, lebendiger. Wie konnte man diese Empfindung beschreiben, die sie gerade hatte? Es war, als ob … als ob nicht der Stall zuerst da gewesen wäre, sondern die Hunde. Als ob man die Holzwände dort aufgestellt hatte, wo sie Platz dafür ließen.
Sie stand vor der Box, in der die Welpen sein mussten, leuchtete hinein. Das Muttertier lag eingekrümmt in der hintersten Ecke und blinzelte müde in das Licht. Ihre Kleinen hatten sich an sie geschmiegt, und Katharina fühlte einen merkwürdigen Hass aufsteigen, als sie die idyllische Szene sah. „Es ist nichts geschehen“, schienen sie sagen zu wollen. Sie machte einen Schritt in den abgeteilten Raum hinein, senkte die Laterne. Die Mutter kam auf die Beine, knurrte etwas und wandte sich ab. Das Licht blendete sie.
Katharina zählte die Jungen. Es waren sechs. Sie zählte noch einmal, und wieder waren es sechs. Sie kam näher heran, streckte die Hand nach der Mutter aus. Diese schnupperte daran und leckte ein wenig an ihren Fingern, akzeptierte sie vollständig, vertraute ihr. Die junge Frau griff nach den Welpen. Ein paar davon waren aufgewacht, die anderen schliefen so tief, dass selbst ihre Berührung sie nicht stören konnte. Zwei der Hundejungen trugen Halsbänder. Auch bei diesem Licht konnte sie sich zweifelsfrei davon überzeugen, dass es die beiden waren, für die Eugen und sie sich entschieden hatten.
Sie konnte nicht verhindern, dass sie auf die Knie sank.
Ihr Welpen lebte.
Und das da draußen zwischen Stall und Haus?
Sie fühlte, wie ein eisiger, dunkler Hass sie vom Magen her ausfüllte, so kalt, lähmend und alles verschlingend, dass sie fürchtete, er würde ihre Eingeweide zu Eis erstarren lassen und ihr Herz zum Stillstand bringen.
Minutenlang konnte sie nichts tun als dort in der Finsternis zwischen den Hunden zu knien und zu warten, bis die Wärme ihres Körpers den eisigen Höllenatem bezwungen hatte und ihre Gefühlswelt und Gedanken wieder etwas mit dem Menschen zu tun hatten, als den sie sich kannte. Sie zog sich an der Holzwand nach oben, und erschöpft wie nach einem langen Kampf schwankte sie hinaus.
Falkengrund wuchs mit hell erleuchteten Fenstern vor ihr in die Höhe, fremd und farbenfroh. In diesen Augenblicken war es ihr unvorstellbar, dass sie hier zu Hause sein sollte. Sie betrat das Schloss und fühlte sich als Gast.
Als Gast, der zum ersten Mal hierher kam.
Als ungebetener Gast.
5
Lorenz, dem sie berichtete, was vorgefallen war, ging kaum darauf ein. Er war mit den Gedanken woanders. Obwohl er äußerlich beherrscht wirkte, fing sie die Nervosität auf, mit der sein Körper vibrierte. Er erklärte ihr geistesabwesend, sie hätten Hasen geschossen, die ein Fell hatten wie ein Pointer. Oben dunkelbraun, unten weißgrau. Sie wiederholte ihren Bericht, er war wie aufgeschreckt und meinte ohne sichtbare Emotion, Wolfgangs Scherze seien diesmal zu weit gegangen. Mit diesen Worten drehte er sich einfach weg und führte zwei seiner Gäste in den großen Saal.
Katharina konnte Wolfgang nirgends ausmachen, und sie hatte nicht den Schneid, ihn in seinem Zimmer zur Rede zu stellen. Auf der Suche nach Eugen kam sie an der Küche vorbei, und ihre Gefühle gingen so sehr mit ihr durch, dass sie einem der Küchenmädchen alles erzählte. Irgendwie konnte sie nicht akzeptieren, wie verbissen sich alle um so belanglose Dinge wie das symmetrische Anordnen der Kohlblätter bemühten, während sie, die Baronin, von ihrem eigenen Stiefsohn auf hässlichste Weise zum Narren gehalten wurde. Aus dem Kohl wurde ein Kunstwerk, zu schade fast zum Essen, während sie in tausend Stück fiel.
„Sie ziehen sich nicht um?“, fragte das Mädchen beirrt und musterte sie von oben bis unten.
„Doch, das tue ich.“ Katharina atmete tief durch. „Ich wurde dabei unterbrochen. Ich …“
„Es ist nicht mehr viel Zeit“, sagte das Mädchen mit einer überraschenden Strenge, die wohl Eilfertigkeit ausdrücken sollte. „Und Ihre Haare …“
„Ja, das weiß ich.“ Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Nun war ihr plötzlich heiß. Sie gab es auf, Trost und Verständnis zu suchen. Diese Dinge waren wohl in diesem betriebsamen Durcheinander nirgends zu finden. „Kannst du mir beim Ankleiden und Frisieren helfen?“
„Baronin, es tut mir
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