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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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von den Bürgern der Stadt, bei der sie an Land kamen, mit offenen Armen aufgenommen … Wie hieß sie doch? Tarentum? Ah ja, Tarentum war’s. Man hat ihn so herzlich willkommen geheißen, dass er beschloss, dort zu bleiben. Und bald erhoben ihn die Leute zum Bischof jener Stadt.«
    Bruder Lugna schniefte abschätzig. »Was sie gewonnen haben, haben wir verloren. Sein Bruder vermisst ihn sehr und seine Mutter Lady Eithne nicht minder, noch immer trauert sie um ihn wie um einen Toten. Wenigstens Bruder Donnchad sah es als seine Pflicht an, hier zu uns nach Lios Mór zurückzukehren.«
    Der Abt betrachtete seinen Verwalter nachdenklich. »Wirfst du Bruder Cathal seine Entscheidung vor? Bist du der Ansicht, Bruder Donnchads Zustand ist darauf zurückzuführen, dass ihn der Entschluss seines Bruders bedrückt, in Tarentum zu bleiben und dort Bischof zu werden?«
    Der hagere Geistliche streifte den Abt mit einem kalten Blick. »Das hat nichts mit Tadeln oder Vorwürfen zu tun. Cathal ist in Tarentum geblieben, weil er sich von Christus berufen fühlte, ihm dort zu dienen. Dennoch ist es eine Tatsache, dass er dort geblieben ist. Lady Eithne empfindet es als Verrat, dass er nicht zurückgekehrt ist. Sie hat es mir selber gesagt. Und auch Donnchad, sein Bruder, meint, es wäre seine Pflicht gewesen, nach Hause zu kommen.
    Letzterem war eine erstaunliche Heimreise beschieden. Zunächst wandte er sich nordwärts nach Rom, ich habe dort selbst studiert. Dann besuchte er unsere Brüder in Lucca und zog weiter zum berühmten Kloster Bobbio. Schließlich kam er hier an, umgeben von einem Glorienschein.« Der Verwalter erhob voller Stolz die Stimme. »Wie vielen unserer Brüder ist eine so herrliche Pilgerfahrt vergönnt? Schon allein die Sohlen seiner Sandalen berühren zu dürfen, mit denen er über eben die Erde und die Steine geschritten ist, auf denen unser geheiligter Erlöser gewandelt ist …, schon allein das würde jedem von uns ein Hochgefühl vermitteln.«
    Abt Iarnlas schwermütige Miene blieb unbewegt, nur kurz zuckte es um seine Mundwinkel. »Ich habe da meine Zweifel, ob wir das wirklich so empfinden würden, Bruder Lugna«, sagte er schlicht. »Ich bin sicher, Bruder Donnchad hat auf seiner Heimreise vom Heiligen Land so manches Paar Sandalen verschlissen. Die Sandalen, mit denen er durch die Straßen lief, durch die der Heiland einstmals geschritten ist, dürfte er längst gegen derberes Schuhwerk vertauscht haben.«
    Bruder Lugna runzelte die Stirn und betrachtete misstrauisch den Abt. Er war sich nicht sicher, ob der sich über ihn lustig machte. Doch über Abt Iarnlas Gesicht huschte kein verschmitztes Lächeln, überhaupt fehlte dem Mann der Sinn für Humor. Der Verwalter hob die Schultern und stellte seinen Verdacht hintan.
    »Was ist deiner Meinung nach der Grund für die Schwermut, in die Bruder Donnchad seit seiner Rückkehr verfallen ist?«, setzte der Abt das Gespräch fort.
    »Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Bruder Donnchad hat kaum versucht, sich wieder in die Gemeinschaft einzugliedern. Die meiste Zeit verbringt er in seiner Zelle und ist völlig in irgendwelche altertümliche Handschriftenversunken, die er mitgebracht hat. Bücher sind das, deren Sprache und Zeichen ich nicht kenne. Er brütet darüber, als ob er darin etwas Bestimmtes suche. Oft kommt es vor, dass er den Ruf zu den Mahlzeiten im
refectorium
versäumt, in letzter Zeit erscheint er sogar nicht einmal zur Messe.«
    »Wir reden nicht zum ersten Mal über sein seltsames Betragen«, stimmte ihm der Abt zu. »Ich nehme an, du hast auch mit Bruder Gáeth darüber gesprochen.«
    »Das habe ich, doch Bruder Gáeth kann sich nicht erklären, warum Bruder Donnchad ihn neuerlich als seinen
anam chara
von sich weist. Man hat mir versichert, sie wären vor der Pilgerfahrt die engsten Freunde gewesen. Abgesehen davon, dass mir eine solche Beziehung ungesund vorkommt, erfahre ich jetzt, Bruder Donnchad habe Bruder Gáeth strikt untersagt, sich ihm auch nur zu nähern.«
    »Was mag der Grund dafür sein?«, grübelte der Abt laut.
    »Da eben liegt der Kern des Rätsels, denn ein wirklicher Grund lässt sich nicht finden. Wenn sich Bruder Donnchad nicht gegen jedermann in der Gemeinschaft so seltsam verhielte, würde ich es für löblich halten, dass jenes sonderbare Verhältnis beendet ist. Doch Bruder Donnchads Betragen verschlimmert sich. Er hat sogar aufgehört, die Gottesdienste in der Kapelle zu besuchen, und weigert sich, das

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