Der Blutkönig: Roman (German Edition)
sterblichen Welt vor Furcht erstarrt wäre. Angezogen von Ihrer Macht trat Tris nach vorn und fragte sich unwillkürlich, was wohl mit seiner Seele geschähe, wo doch kein Seelenrufer hier war, der ihm den Weg bereiten konnte. Istras Mantel schlug über ihm zusammen, er roch nach Leder und frisch gemähtem Gras und Tris fühlte eine Kraft in sich strömen, die nicht in Worte zu fassen war, als er sich ihrer Umarmung ergab. Starke, unsterbliche Arme schlossen sich um ihn und die Dunkelheit des Mantels umhüllte ihn.
Meine Seele ist verloren , beichtete Tris. Ich habe meine Familie, meine Freunde und mein Volk im Stich gelassen .
Noch nicht . Istras Stimme hallte in seinem Verstand, unglaublich lieblich und jenseits aller Beschreibungen, die ein Sterblicher geben konnte. Du musst zurückkehren .
Tris spürte, wie die Geister, die sich unter dem Mantel drängten, ihn einhüllten. Seine Kraft verließ ihn vollständig. Von den Geistern getragen, gestützt von den Armen der Lady, ergab sich Tris der Dunkelheit.
A LS ER ERWACHTE , fand er sich in seinem eigenen Zimmer wieder, die Dunkelheit nur von ein paar Kerzen erhellt. Zuerst fragte er sich, ob er wirklich wieder zu sich selbst gefunden hatte oder ob er gleich Zeuge seiner eigenen Beerdigung werden würde. Aber das Bett unter ihm fühlte sich solide und wirklich an und die bandagierte Wunde in seiner Schulter schmerzte. Als er seinen Kopf drehte, ließ ihn der Schmerz beinahe ohnmächtig werden.
In der beinahe vollständigen Dunkelheit konnte Tris zwei Gestalten neben dem Kamin ausmachen und stellte fest, dass Carina und Taru bei ihm wachten. Er wollte sie rufen, stellte aber fest, dass ihm selbst dafür die Kraft fehlte. Es fühlte sich an, als sei sie völlig außerhalb seiner Reichweite.
Vielleicht ist das das Urteil der Herrin , dachte Tris und schloss die Augen. Vielleicht wird Sie mich nicht zu sich nehmen, bis ich meine Visionen selbst erlebt habe, bis ich alles verloren und den Schmerz gefühlt habe. Vielleicht bin ich verdammt .
Drei Tage später, nachdem Schüttelfrost und Fieber, die der Wurmwurz immer hinterließ, aufgehört hatten und er imstande war, das Bett zu verlassen, saß Tris am Fenster seines Zimmers, eng an den tiefen Fensterrahmen gedrückt und sah auf die schneebedeckte Stadt herunter. Die Mahlzeit auf dem Tisch neben ihm war kalt und unberührt. Carina hatte ihn angefleht, etwas zu essen, aber er hatte keinen Appetit und obwohl die tiefe Wunde in seinem Arm bereits beinahe verheilt war und er kein Gift mehr in den Adern spürte, hatten die Visionen nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren. Er hatte nicht geschlafen.
Carina machte sich Sorgen, weil er nicht mit ihr sprechen wollte und hatte ihn schließlich allein gelassen. Tris war zu betäubt von seiner eigenen Trauer und seinem Versagen, als dass er Worte gefunden hätte, um auf ihre Fragen zu antworten. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen, ohne den Strang und den Galgen dabei zu erblicken. Er war entschlossen, seine Visionen nicht zu teilen oder sie wahr werden zu lassen, aber wie er das anstellen sollte, das wusste er nicht.
Die Tür hinter ihm öffnete sich. Tris drehte sich nicht um. Das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass man mir einen Dolch in den Rücken rammt , dachte er. Vielleicht wäre es so das Beste .
Er spürte Tarus Macht, noch ehe sie das Wort ergriff. »Carina hat mich gebeten zu kommen«, sagte sie und trat durch das dunkle Zimmer auf ihn zu. Tris bat sie nicht, näher zu kommen, noch zu gehen und wandte seinen Blick nicht vom fallenden Schnee draußen vor dem Fenster.
»Irgendetwas ist in diesem Saal passiert, das Carina nicht heilen konnte.«
Tris rührte sich nicht. »Ich will nicht darüber sprechen.«
»Das musst du.«
»Ich sagte, ich will nicht darüber reden!«
»Ich glaube nicht, dass Arontala dich durch Alaine töten wollte. Oh, er hätte durchaus Glück haben können und er hätte es beinahe geschafft. Aber er kann deine Macht spüren. Du hast ihn schon früher abgewehrt, ohne Training. Nein, er hat wirklich nicht erwartet, dich zu töten«, meinte sie. »Und aus dieser Entfernung konnte er dich nicht in Besitz nehmen. Es muss also etwas anderes sein. Etwas, das deinen Willen bricht, deine Absichten in Frage stellt und dich mutlos werden lässt.«
Tris wandte ihr weiterhin den Rücken zu, damit Taru die Tränen nicht sehen konnte, die ihm in die Augen traten.
»Du hast in diesem Saal etwas gesehen, nicht wahr?«
Tris nickte wortlos,
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