Der Blutkönig: Roman (German Edition)
Schicksal oder dein eigenes. Das Gift des Gesichts ist fort. Mit dem, was übrig geblieben ist, kannst du umgehen, ohne dich darin zu verlieren.« Sie hielt inne. »Das andere Bild, das der Dunklen Lady, das kam nach Alaines Tod?«
Tris nickte.
»Du hast nicht geatmet, als Carina und ich dich erreichten«, sagte Taru ruhig. »Für einen Moment dachte Carina, du seist tot. Sie stieß gegen deine Rippen und hat dich beatmet, und du kamst wieder zu dir. Wirklich, das habe ich noch nie gesehen, aber sie schwor, das sei keine Magie gewesen, es war, als betätige sie einen Blasebalg. Es war wohl etwas, das sie vor langer Zeit von einem Schlachten-Heiler gelernt hat.« Taru schwieg, diesmal etwas länger. »Was du von der Dunklen Lady gesehen hast, war eine Wahrvision. Ich kann die Reste ihrer Macht in dir spüren. Und ich glaube, dass du sie vorher schon einmal gesehen hast.«
Tris schluckte und nickte. Er wischte sich mit dem Ärmel über seine rotumränderten Augen. »Ich bin schon ein Held, was?«
Er konnte den Ausdruck in Tarus Gesicht nicht deuten, aber er wurde weicher. »Nur Wahnsinnige haben keine Angst. Sogar die Toten – und auch die Untoten – fühlen Schmerz. Arontala weiß, dass die Liebe zu deinen Freunden deine Schwäche ist – so wie die Liebe deiner Großmutter zu Lemuel die ihre war. Er kann nicht verstehen, dass es ebenso sehr deine Stärke ist.«
»Ich weigere mich zu glauben, dass ich Kiara und meine Freunde opfern muss, um den Obsidiankönig zu besiegen«, sagte Tris und hob den Kopf. »Ich weigere mich, in die Schlacht zu ziehen und bin nicht bereit, sie sterben zu lassen. Ich könnte ihnen genauso gut die Kehle durchschneiden. Ich würde mich selbst Istra übergeben, bevor ich das tue.«
Taru lächelte. »Das wird wohl nicht nötig sein. Ich glaube, du gehörst der Dunklen Lady bereits.« Sie schwieg für einen Moment. »Arontala wird versuchen, deine Ängste gegen dich zu verwenden. Das tut die Dunkelheit immer. Es ist, als würden wir alle von einem Drachen verfolgt, Tris, der aus unseren Ängsten und Wunden gemacht ist. Und wenn du dich nicht umdrehst und diesem Drachen ins Gesicht siehst und ihn mit seinem wahren Namen ansprichst, wenn du jung und stark bist, dann kommt er, wenn du alt und schwach bist, und verschlingt dich in deinem Bett. Du hast deinem Drachen ins Gesicht gesehen«, sagte sie still. »Du kennst den Preis, den deine schlimmsten Ängste von dir fordern. Du weißt jetzt, dass die Zukunft nie sicher ist. Und als ein Seelenrufer weißt du auch, dass selbst der Tod die Liebe nicht besiegen kann.«
Tris nickte und fühlte, wie sich seine Kehle zuschnürte. »Ich weiß.« Er hielt sie am Ärmel fest, als sie aufstand und sich abwandte. »Ich danke dir.«
Taru nickte bestätigend. »Morgen Abend werden du und Carina bis nach der Wintersonnenwende in Stadens Palast zurückkehren. Dann werden wir deine Ausbildung fortsetzen.«
KAPITEL VIER
D ER DURCHDRINGENDE S CHREI der Frau brach abrupt ab, als sie an die Steinwand prallte und schlaff daran herabglitt. Jared Drayke stand da, schweißüberströmt und keuchend, seine Fäuste geballt und bereit, wieder zuzuschlagen.
»Ihr solltet mittlerweile wissen, dass das menschliche Genick etwas ganz Zerbrechliches ist«, kam Arontalas Kommentar von der Tür her.
Jared wirbelte herum. »Seid still.«
Als Arontala statt einer Antwort nur die Achseln zuckte, trat Jared zu der zusammengeschlagenen Toten, hob sie in seine Arme, ging mit seiner Last zur Garderobe hinüber und warf die Leiche durch die weit geöffneten Vorhänge hinein.
»Das ist schon die dritte in genauso vielen Monaten«, bemerkte Arontala ätzend. »Wenn man die nicht mitzählt, die Ihr den Wachen zu ihrem Vergnügen überlassen habt, wenn Ihr an ihnen keinen Gefallen mehr fandet. Wenigstens wurden die in der Grube hinter den Kasernen beerdigt.«
»Ich will nichts davon hören.«
»Das gemeine Volk denkt, Ihr opfert Jungfrauen zum Altweibermond«, fuhr Arontala fort, ohne sich unterbrechen zu lassen. »Oder dass Ihr einen Dämonen beschworen habt.«
»Dafür würde ich aber einen Magier brauchen, nicht wahr?«, gab Jared zurück. »Einen richtigen Magier, nicht nur einen, der alles verspricht und nichts davon hält.«
Arontala zuckte wieder die Achseln. Unter der weiten roten Robe, die ihn als Magier des Feuerclans auswies, war er schlank gebaut und ungefähr einen Kopf kleiner als Jared. Die untote Blässe hellte seinen angeborenen dunkleren Ostmark-Teint auf. Er
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