Der Blutkönig: Roman (German Edition)
er war nicht imstande, auf seine Stimme zu vertrauen.
»Ein Magier mit Arontalas Macht könnte durch ein Medium wie Alaine eine Vision projizieren«, sprach Taru ruhig weiter. »Einmal sah ich einen großen Kriegsherrn sich von einem Felsen werfen, weil ein dunkler Magier ihn davon überzeugt hatte, dass seine Frau und seine Kinder niedergemetzelt worden waren.«
»Jonmarc, Carina, Carroway – ich habe gesehen, wie sie starben«, wisperte Tris. »Ich habe gesehen, wie Kiara genommen wurde …« Seine Stimme brach und er senkte den Kopf.
Taru trat hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wurmwurz vergiftet den Körper«, sagte sie still. »Aber eine dunkle Vision vergiftet die Seele. Erzähl mir – waren die Gesichte so deutlich, als würden sie vor deinem Auge passieren?«
Tris nickte und schluckte hart, als die Bilder wieder in ihm hochstiegen, real und überwältigend.
»Wirkliche Gesichte von der Zukunft sind nicht so klar«, meinte Taru. »Eine wahre Weissagung sieht eine Zukunft, die immer in Bewegung ist. Etwas zu sehen, das gerade stattfindet, ist eine Sache, aber sicher in die Zukunft zu sehen – das ist der Lady allein möglich. Nicht einmal Sehern, denen die Gabe der magischen Weissagung geschenkt wurde, ist es gegeben, klar in die Zukunft zu sehen. Sogar sie erkennen nur Fragmente, keine scharf umrissenen Bilder. Es ist ein Teil ihrer Gabe des Wahrsagens, zu wissen, was diese Stücke bedeuten.
Arontala hat dir diese Gesichte geschickt, um deinen Willen zu brechen«, sagte Taru sanft. »Es ist ein Seelengift und ernährt sich von deinen Ängsten. Wenn du es für dich behältst, wird es seinen Zweck erfüllen.«
»Ich kann das Carina nicht sagen. Ich kann nicht …«
»Carina ist eine mächtige Heilerin, aber ihre Gabe ist noch jung«, unterbrach ihn Taru. »Und sie hat eigene Narben, die ihre Macht einschränken werden, bis diese geheilt sind. Sie ist nicht die einzige Heilerin in der Zitadelle.« Taru zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihn. »Sie ist auch noch keine Geistheilerin. Ich schon.«
Tris fragte sich, ob sie in seinen grünen Augen den Wahnsinn erkennen konnte. »Ich kann nicht schlafen«, begann er und schluckte seine Tränen hinunter. »Letzte Nacht«, beichtete er mit gequältem Flüstern, »letzte Nacht habe ich nach Magierschlächter gegriffen. Ich dachte, ich könnte sie retten, wenn ich nicht zurückkomme. Ich dachte, dass ich die Träume beenden könnte.« Er hielt ihr seine Hand entgegen, die er bis dahin an sich gepresst hatte und Taru keuchte auf, als sie die Brandblasen auf der Handfläche sah. »Magierschlächter hat es gewusst. Ich konnte es nicht ziehen.«
»Zeig mir deine Visionen.« Was immer sie auch in seinen Augen sah, sie wandte sich nicht ab. »Ich habe mehr gesehen, als du dir vorstellen kannst, mehr Schlachten und mehr Tod. Öffne mir deinen Geist und lass es mich sehen.«
Sie hielt ihm ihre Hand hin und Tris nahm sie hastig in seine. Er nahm keine Rücksicht auf seine verbrannte Handfläche. Er spürte Wärme, als Taru ihre freie Hand auf seinen Kopf legte, spürte, wie die Wärme aus ihrer Hand in seine Kopfhaut drang, durch Fleisch und Knochen in seinen Verstand und noch tiefer ins Sein. Tris konnte Tarus Gegenwart spüren, wie er die Gegenwart der Geister in den Ebenen der Toten gespürt hatte. Er schloss die Augen und ließ zu, dass die Bilder der Visionen über ihn hinweg rollten und hörte sich selbst wie aus weiter Ferne schluchzen. Seine Schultern zuckten und er schnappte nach Luft. Er hielt nichts zurück und ersparte Taru nichts von den Details der Tode, die er gesehen hatte oder von seiner Vision der Dunklen Lady.
Tris spürte, dass die Gegenwart Tarus ihn beschützte und ihre Macht die dunklen Gesichte in sich aufnahm, so als würden die Bilder in das Licht ihrer Magie gezogen. In gleichem Maße, wie die Bilder verblassten, fühlte er die Furcht und die Trauer verschwinden. Er selbst blieb wund und erschöpft zurück. Als die Finsternis verschwunden war, fühlte Tris, wie Tarus Kraft wie Balsam über ihn hinweg spülte und die Wunden der Erinnerung heilte. Dann verschwand auch die Präsenz, und er wurde sich bewusst, dass er sich vor und zurück schwang und Tarus Hand immer noch verzweifelt festhielt.
»Ich erinnere mich immer noch«, flüsterte er.
»Aber du erinnerst dich an einen Albtraum, nicht mehr an die Realität«, antwortete Taru. »Die Gefahr besteht immer noch. Aber nicht die Sicherheit über ihr
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