Der Blutkönig: Roman (German Edition)
auf. Die Zuschauer keuchten und wichen wieder einen Schritt zurück, an die äußere Grenze ihres Schutzkreises.
Tris kannte die Signatur von Arontalas Macht. Sogar auf diese Entfernung hin, hinter seinen Schutzkreisen, konnte er den Sog des Seelenfängers spüren. Tris hatte sich darauf eingestellt, dass das rote Feuer aus dem Amulett hervorbrechen würde, so war es schon bei der Weissagung in Westmark und bei Alaines Amulett gewesen. Nur hielten diesmal die Schilde, und das blaue Feuer, mit dem er die rote Flamme erwiderte, zwang Arontalas Feuer langsam zurück, bis die Flammen die Leiche einhüllten und sich in der großen Halle der Gestank von verbranntem Fleisch ausbreitete.
»Ihr habt meinen Körper verbrannt!«, schrie der Geist. Das rote Feuer flammte noch einmal auf und verlosch. Es hinterließ nur einen verkohlten Körper.
»Du brauchst ihn nicht mehr«, sagte Tris geistesabwesend. Er bezweifelte nicht, dass dieser Bandit die Wahrheit über seine Vergangenheit und auch seine Mission erzählt hatte, doch er spürte nicht das geringste Bedauern darüber. Er verdient alles, was er bekommen sollte und sogar noch mehr , dachte er bitter und kämpfte vergeblich um Neutralität. Ich könnte ihn jetzt der Vettel überlassen. Es wäre so einfach, nur beiseite zu treten …
In seinen Gedanken hörte er die Stimme von Schwester Taru. Diese Macht obliegt allein der Lady , hatte Taru ihn gewarnt. Der Obsidiankönig wurde zum Richter über die Seelen und wollte sich zum Gott aufschwingen .
Hart schluckend wandte Tris seine Aufmerksamkeit der Präsenz zu, die er in den Schatten spürte, dem Aspekt der Vettel, die gekommen war, sich das Ihre zu holen. »Höchst mächtige Lady, Schafferin der Seelen und Die, Die den Atem Nimmt, höre mich an.« Es war halb ein Gebet, halb Flehen und er wusste, dass er sich auf gefährlichem Terrain bewegte. Er bekam keine Antwort, aber er wusste, dass die Vettel zuhörte.
»Diese Seele fürchtet das Anstehende«, sagte Tris ehrlich. »Und ich bin ein armseliger Fürsprecher, weil er meinen Freund verletzt hat und meine Verlobte getötet hätte. Aber ich habe ihm mein Wort gegeben, dass ich um Gnade bitten würde, wenn er seine Geschichte erzählt. Und deshalb halte ich mein Wort. Ich weiß, es obliegt der Lady allein, die Richterin der Seelen zu sein. Wenn es eine Möglichkeit gibt, ihn zu einem anderen Aspekt Deiner selbst zu schicken, M’Lady, dann erhöre mich.«
Tris konnte die Präsenz des Aspektes der Lady spüren, auch wenn er sie durch seine sterblichen Augen nicht sehen konnte. Hinter ihm hörte er Gabriel einen Segen sprechen und an der Seite sah er Staden und Hant das Zeichen der Lady schlagen. Die Wachen waren auf die Knie gesunken.
Ich höre deine Bitte, Seelenrufer, wie ich auch seine Geschichte gehört habe . Die raspelnde Stimme der Vettel erklang in seinem Geist und seine Seele schrumpfte in sich zusammen. Ich werde ihn dem Aspekt überantworten, den er am meisten verdient .
Die Wachen schrien in Panik und Staden fluchte vor Angst. Eine gähnende Finsternis öffnete sich, wie eine machtvolle Verbindung von Albträumen, die Visionen von zu großer Schrecklichkeit enthüllten, als dass man sie hätte verstehen können. Tris zweifelte nicht daran, dass es die Formlose war, die kam, um den sich windenden Attentäter zu holen. Die Formlose war der Schrecklichste der Aspekte, dieses Gesicht der Lady spielte nur in der Alten Religion eine Rolle und wurde heutzutage in den Winterkönigreichen geleugnet. Die Formlose streckte einen schattendunklen Tentakel zum kreischenden Geist aus und zog ihn in ihr Maul.
So schnell wie der Aspekt gekommen war, war er auch wieder verschwunden und die Schreie des Geistes hörten mit einem Schlag auf.
Geschwächt löste Tris die Schutzkreise, fiel stolpernd nach vorn und wurde von Gabriels starkem Griff aufgefangen.
»Bei der Hure!«, rief Staden und sah Tris mit einer Mischung aus Furcht und Bewunderung an. »So etwas habe ich noch nie gesehen!«
»Und das will ich auch nie wieder«, fügte Hant heftig hinzu. Tris bemerkte, dass es das erste Mal war, dass er Hant so aufgewühlt erlebte. Die Wachen kamen wieder auf die Beine und sahen Tris an, als hätte er sich vor ihren Augen in einen Drachen verwandelt.
»Ich habe die Lady nicht gerufen«, sagte Tris, als Gabriel ihm zur nächsten Sitzgelegenheit half. »Ich denke nicht, dass ich diese Macht habe.«
»Das haben wir gehört«, sagte Gabriel und drückte Tris einen Becher mit
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