Der Blutkristall
leider sagen. Die Magie ist unberechenbar und erstreckt sich auf die Paten und auf jeden anderen, der von ihrem Blut ist oder auch nur davon getrunken hat. Die meisten Angehörigen haben das Ritual nicht überlebt.»
Sebastian zögerte nicht mit seiner Antwort. «Das ist mir egal.»
«Du würdest für sie sterben?», fragte Morgan erschüttert. Offenbar hatte er dies von seinem ehemaligen Freund nicht erwartet.
Sebastian sah ihn mitleidig an. «Du weißt eben nichts über die Liebe!»
«Hast du eine Ahnung.» Morgan verzog sein Gesicht. «Der absolute Horror. Nichts ist mehr wie früher und man kann nur noch an die Eine denken.»
Vivianne sah ihn erstaunt an. Er streckte seine Hand aus, sie war blutverschmiert. «Prinzessin, verzeihst zu mir, dass ich so blind war?»
Sie ließ sich in seine Arme ziehen. «Was für eine Frage!»
Cyron sah in die Wolken, als erhoffe er himmlischen Beistand von dort oben. «Klärt das später, wenn ich bitten darf.»
Vivianne straffte sich. «Natürlich, erst das Monster, dann das Vergnügen.»
«Ich bin kein Monster!», klang es von oben, und als sie aufsahen, sprang Edna von der Bühnenüberdachung und ging zu Sebastian. Zärtlich nahm sie seine Hand. «Ich habe dich immer geliebt, mein dunkler Prinz. Doch meine Zeit ist gekommen und ich werde dich verlassen.» Sie zog ein weiteres Messer und hielt es sich selbst an die Brust. Sebastian reagierte blitzschnell, bevor sie zustechen konnte, hatte er ihr die Waffe aus der Hand geschlagen und die Arme auf den Rücken verdreht. Man sah ihm seine Anstrengung an, dennoch wirkten die beiden auf Vivianne wie ein Paar, das in einen tödlichen Tanz versunken schien.
Cyron streckte seine Hand vor und Morgan zögerte nicht, den Blutkristall hineinzulegen. Langsam verlor der Stein seine Farbe, bis er in einem zarten Pink erstrahlte und mehr nach einem Diamanten aussah. Cyron zog einen Dolch hervor, reichte ihn Edna. «Du weißt, was du zu tun hast?»
Sie kniete nieder und flüsterte: «Ja!» Sebastian ging ebenfalls auf die Knie und hielt seine Geliebte mit einem Arm umschlungen, während er ihr den anderen reichte. Edna zog die Klinge mit einer Kaltblütigkeit über sein Handgelenk, die Vivianne zusammenzucken ließ. Morgan strich ihr beruhigend über die Wange, er schien nicht überrascht. Sebastian ging die Sache aber offenbar näher, denn er gab einen fauchenden Laut von sich und begann am ganzen Köper zu zittern, als sie sich herabbeugte, um von seinem Blut zu trinken. Cyron hob den Blutkristall und murmelte einige Worte, die niemand außer ihm zu verstehen schien. Dann drückte er das Juwel blitzschnell auf Ednas Solarplexus, wo es ohne Spuren zu hinterlassen einfach verschwand.
«Nicht schon wieder!» Vivianne lag ein Fluch auf der Zunge und sie wäre zweifellos dazwischengegangen, hätte sie nicht eine plötzliche Leere in ihrer Seele davon abgehalten. Morgan sackte neben ihr lautlos in sich zusammen, und sie wusste ohne Zweifel, dass er in Gefahr war. Die weiteren Ereignisse erlebte sie nur noch wie im Wahn. Während Vivianne ihren Geliebten im Arm hielt, unfähig etwas anderes zu tun, als Cyron anzusehen, fuhr dieser unbeirrt mit seinem Ritual fort. Er schritt dreimal um Sebastian und Edna herum, die ebenfalls zu Boden gestürzt waren. Dann hob er seine Hände und ein orangefarbenes Licht breitete sich in Ednas Körper aus, bis sie vollständig darin verschwand. Sie schien zu schweben, ein strahlender Punkt inmitten der dunklen Nacht. Als Vivianne zu glauben begann, die Zeit sei stehen geblieben, änderte sich unerwartet etwas. Violette Punkte, nicht kräftiger als das Licht der Glühwürmchen, erschienen und schwebten in die Nacht hinauf. Anfangs kaum sichtbar taten sie sich zusammen, tanzten und leuchteten immer kräftiger. Es sah aus, als hätten sie es eilig Cyron zu erreichen, der jeden Einzelnen von ihnen auffing, behutsam aus der Luft schöpfte und schließlich in sich aufnahm. Am Ende, als alles Licht verschwunden war, sagte er: «Edna, du bist frei!» Tatsächlich schien die Wahnsinnige ihn nach kurzem Zögern zu hören und erhob sich wie in Trance. Sie warf einen kurzen Blick auf Morgan, der weiter regungslos in Viviannes Armen lag, und beugte sich dann zu Sebastian hinab, zog ihn auf die Füße und küsste seinen leblosen Mund. Wenn sie geglaubt hatte, den Vampir damit zum Leben erwecken zu können, hatte sie sich geirrt. Doch entgegen Viviannes Erwartungen reagierte sie nicht enttäuscht, sondern lächelte vielmehr
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