Der Blutmond
Sie strengte sich an. Doch jedes Mal, wenn sie ihre Muskeln anspannte und ihren Beinen den Befehl gab, sich zu bewegen, brach ein neuer Schwall Blut zwischen ihren Schenkeln hervor.
"Es ist zu spät, mein liebster Sam. Denk an unseren Sohn. Du musst ihn beschützen." Ihre Stimme war dünn. Sie hatte kaum noch genug Kraft, um zu reden. Ihre Augen waren glasig. Sie war den Tränen nahe, doch selbst dazu fehlte ihr die nötige Energie.
"Ich schaffe das nicht ohne dich. Ein Kind braucht seine Mutter!", drängte er und schüttelte sie an den Schultern, denn sie glitt langsam ins Jenseits über.
"Bring ihn zum alten Black. Du wirst im Süden fündig werden. Er ist ein Werwolf und wird unseren Raven mit seinem Leben beschützen. Zudem ist er der Ehemann meiner Zwillingsschwester, Antonella. Sie werden sich gut um ihn kümmern, denn sie sind es ebenso leid zu kämpfen, wie ich. Der alte Black ist mir noch einen Gefallen schuldig. Du kannst ihm also vertrauen", erklärte sie ihm. Sato umschlang ihren Oberkörper und drückte sie fest an sich.
"Ich werde dich immer lieben", flüsterte sie, als sie ihren letzten Atemzug aushauchte. Ihre Glieder erschlafften und das Neugeborene glitt ihr aus den Armen. Sato schluchzte voller Kummer auf, als ihr Herz endgültig aufhörte zu schlagen. Nie hatte er geglaubt, zu solch einer tiefen Liebe überhaupt fähig zu sein und nie hatte er es für möglich gehalten, dass ihre Liebe ein so jähes Ende nehmen würde. Sie gebar Leben, nur um das Ihre dafür zu opfern. Es musste die grausame Strafe eines perversen Gottes sein, der ihm erst etwas schenkte, nur um es ihm wieder zu nehmen und ihm dabei zuzusehen, wie er unter den Qualen des Kummers zerbrach.
Er legte Mariellas leblosen Körper vorsichtig auf das Bett und strich ihr die verklebten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann beugte er sich über ihre tote Hülle und küsste sie zum Abschied auf die Stirn. Dabei schwor er, dass er sich niemals wieder verlieben, noch jemals wieder Gnade walten lassen würde, egal bei welchem Lebewessen. Er verbannte jegliche Emotionen aus seinem Herzen. Augenblicklich legte sich eine düstere Aura der Kaltherzigkeit um ihn. Dies schien auch sein Sohn zu spüren, denn er begann jämmerlich zu weinen. Erst wollte er sein eigen Fleisch und Blut zurück lassen, denn war seine Geburt erst daran schuld, dass ihm die Liebe seines Lebens auf solch schreckliche Art und Weise entrissen wurde. Doch er war es ihr schuldig. Also nahm er sich seiner an und wickelte ihn in warme Decken. Anschließend warf er einen letzten Blick auf den Leichnam seiner einstigen Liebe und entschwand aus dem Fenster. Kurz darauf hörte er, wie das wildgewordene Werwolfrudel durch die dünne Holztür in das Zimmer einbrach, und alles unter tosendem Gebrüll auf den Kopf stellte.
Der Glanz in Satos Augen, der das Gute seiner Seele widerspiegelte, war erloschen.
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Die Dämmerung war bereits hereingebrochen und dicke Nebelschwaden zogen über die Wiesen. Eine dunkle Gestalt, rannte in gebückter Haltung über die Felder und steuerte eine Hütte an, die weit abgeschieden von der nächsten bewohnten Siedlung lag. Vor der Treppe, die auf die Veranda führten, ging er in die Knie und sprang ab. Mit Leichtigkeit überflog er die Stufen und landete nahezu geräuschlos vor der Haustür. Wäre nur das Holz der Veranda nicht schon so alt und morsch gewesen, hätte man sein Kommen nicht gehört. Doch da die verwitterten Holzlatten unter seinem Gewicht ächzend nachgaben, war der Hausherr augenblicklich alarmiert. Er verriegelte die Tür zum Schlafraum, schnappte sich seine Schrotflinte, die er stets geladen und griffbereit in seiner Nähe hatte, und stellte sich mit dem Gewehr im Anschlag, vor dem einzigen Zugang der Hütte auf, und richtete die Mündung darauf. Er blieb ruhig, selbst als der den ekeligen Geruch erkannte, der sich durch die faserigen Poren des Holzes hindurchstahl. Man konnte ihm ansehen, dass ihn die Jahre gezeichnet hatten. Sein straßenköterblondes Haar, war an den Schläfen bereits stark ergraut und seine Augen sahen trüb aus. Sie hatten ihr einstiges Funkeln verloren. Die dunklen Schatten darunter, ließen ihn älter wirken, als er es tatsächlich war.
"Was willst du hier, Blutsauger?", fragte er mit grollender Stimme. Man konnte heraushören, wie verbittert er war, als er zu erkennen gab, dass er wusste mit was für einem Wesen er es zu tun hatte.
"Ich bin in Frieden gekommen, Black!", beschwichtigte er den erzürnten Werwolf.
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