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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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namhaften Künstlern hingen, beleuchtet von schier unbezahlbaren Bienenwachskerzen in silbernen Kerzenständern. Mehrere der Bilder zeigten den Grafen, und eines seine Familie. Sie unterstrichen, wie er fand, in aufdringlicher Weise, über welchen Wohlstand der Hausherr verfügte. »Es geht um die kleinen Bauern, denen ich Land gegeben habe und die kaum genug haben zum Leben.«
    »Und denen Ihr viel zu wenig Pacht abnehmt«, schleuderte ihm der Graf unerwartet heftig entgegen. Verärgert warf er den Pelz ab. Der Gedanke ließ ihn hitzig werden. »Unsere Bauern murren bereits, weil sie wissen, wie wenig Eure Bauern abgeben müssen. Jetzt glauben sie, dass wir ihnen zu viel abknöpfen.«
    »Das ist es also.« Hinrik schaffte es endlich, auf die Beine zu kommen. Er wollte noch mehr sagen, doch der Graf ließ ihn nicht zu Wort kommen. Er befahl ihm, auf der Stelle zu gehen, und verbot ihm, irgendetwas mitzunehmen, was er nicht am Leibe trug. Drohend hob er den Gehstock, auf den er sich stützen musste, weil die Gicht an seinen Gelenken fraß.
    »Morgen, wenn der Tag anbricht, will ich Euch nicht mehr auf dem Hof sehen«, eröffnete er ihm. »Verschwindet aus dieser Gegend. Ihr habt hier nichts mehr verloren. Nirgendwo. Je weiter Ihr Euch entfernt, desto besser.«
    Hinrik war wie betäubt. Mehr und mehr verfestigte |11| sich der Eindruck, dass der Graf ihn unter einem Vorwand zu sich gelockt hatte, um ihn dann, gemeinsam mit den anderen, zu betrügen. Die Mächtigen in diesem Land duldeten nicht, dass er nachsichtig mit seinen Bauern war und die Preise verdarb. Der Graf ließ nicht zu, dass man den Bauern ein Leben ermöglichte, das besser war als das des Viehs auf den Weiden. Unterstützt von anderen Adligen, der Kirche und der Kaufmannschaft beutete er die Bauern, aber auch die vielen Handwerker und kleinen Händler in der Stadt rücksichtslos aus. Nur so konnten Schlösser, große Gutshäuser wie dieses, in dem er sich befand, Klöster und Kirchen entstehen. Mit eiserner Hand zwang er die Schwachen zur Fronarbeit und ließ ihnen die Wahl, sich ihm zu beugen oder zu verhungern. Welche Rolle dabei Bruder Albrecht oder Ratsherr Wilham von Cronen spielten, schien klar zu sein. Fraglich dagegen war, welche Bedeutung Hans Barg, der Arzt, in diesem Kreis hatte.
    »Es ist falsch, die Bauern bis aufs Blut auszubeuten. Pure Dummheit. Armen Menschen kann man kaum mehr etwas wegnehmen. Ihr müsst dafür sorgen, dass die Bauern gut leben und zu Wohlstand kommen. Der Zehnte eines wohlhabenden Bauern ist tausendmal mehr wert als der Zehnte eines Bauern, der kaum genug zum Überleben hat.«
    »Wir reden nicht über so einen Unsinn«, fuhr ihm von Cronen über den Mund. »Wir reden überhaupt nicht mehr. Raus aus diesem Haus! Hinaus!« Mit herablassender Geste warf er ihm einige Münzen vor die Füße. »Damit Ihr nicht ganz mittellos seid.«
    Die Münzen waren auf die Kräuter gefallen, die auf dem Boden ausgestreut waren, um den Schmutz aufzunehmen. Sie vermischten sich mit dem herabtropfenden Bier. Hinrik vernahm das Klirren der Münzen und sah sie |12| zwischen den Kräutern. Angesichts dieser Demütigung vergaß er seine Zurückhaltung. Der Zorn übermannte ihn, und er verlor die Beherrschung. Wütend beugte er sich über den Tisch, packte den Ratsherrn bei den Aufschlägen seines Hemdes und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Der weißhaarige Mann versuchte nach hinten auszuweichen, die Beine sackten unter ihm weg, und da der Ritter nicht von ihm abließ, riss er diesen mit zu Boden.
    Wie aus dem Nichts kamen die Fäuste angeflogen. Krachend landeten sie an Hinriks Kinn. Unter anderen Umständen wäre dieser seinem Gegner haushoch überlegen gewesen, doch er hatte noch immer das Gift im Körper, das ihn seiner Sinne beraubt hatte. Es tat seine Wirkung und verminderte seine Reaktionsfähigkeit, so dass er weitaus mehr einstecken musste als sonst.
    Mit jedem Treffer, der an seinem Kopf oder an seinem Körper landete, stieg seine Wut. Mit wilden Schlägen versuchte Hinrik die Abwehr des Ratsherrn zu durchbrechen, und tatsächlich hatten seine Fäuste ein paarmal auch Erfolg. Er trieb den weißhaarigen Mann vor sich her und zur Tür hinaus bis auf den Hof. An der Türschwelle stolperte er, und während er noch um sein Gleichgewicht kämpfte, nahm von Cronen einen armlangen Balken auf, der auf dem Boden lag. Zu spät wich Hinrik dem Schlag aus. Der Balken traf ihn vor die Brust und schien ihm die Rippen zu zerschmettern. Er konnte

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