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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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geschwächt an die Stalltür lehnte. »Irgendwann wird er auf dem Schafott stehen und der Henker sein Schwert wetzen. Dann wird er um Gnade winseln, und ich werde derjenige sein, der zu entscheiden hat. Er wird mich vergeblich bitten. Ich werde den Henker anweisen, das Schwert fallen zu lassen und ihn einen Kopf kürzer zu machen! Das schwöre ich euch. So wahr ich Wilham von Cronen bin!«
    Er löste sich von der Stalltür und sank unmittelbar vor seinem Opfer auf die Knie. »Hört mir gut zu, vom Diek«, flüsterte er so leise, dass nur Hinrik ihn verstehen konnte. »Lasst Euch nie mehr in meiner Nähe blicken. Solltet Ihr nach Hamburg kommen, sorge ich dafür, dass Ihr unverzüglich dem Henker übergeben werdet. Ob schuldig oder unschuldig, das ist mir egal. Ich will Euch nie, nie wieder sehen. Habt Ihr verstanden?«
    Hinrik nickte kraftlos. Von Cronen stand auf und machte Platz für die Knechte, die den Geschundenen nun auf Befehl des Grafen in den Schweinestall schleppten. Die Unfreien gröhlten und verhöhnten ihn. Pflupfennig schrie ihm zu, dass er selbstverständlich auch sein edles Pferd Tuz verloren habe, das er neben den Stallungen angebunden hatte. Dann fuhr er herum und erteilte den Knechten lauthals einen Befehl. Sie zögerten, ihn auszuführen.
    »Nein!«, schrie Hinrik. Mit aller Macht versuchte er, sich zu befreien. Vergeblich. Die Männer umklammerten |16| ihn, und er war zu schwach, um sich zu wehren. Entsetzt sah er zu, wie einer der Knechte an Tuz herantrat und ihm in einer raschen Bewegung die Kehle durchschnitt. Stöhnend brach das edle Tier zusammen.
    »Hinrik vom Diek, Ihr dürft Euren ehemaligen Hof nicht mehr betreten«, verfügte der Graf, wobei er den Tobenden bei den Haaren packte und ihm den Kopf in den Nacken bog. »Ich habe bereits Wachen aufgestellt. Sie werden Euch töten, wenn Ihr Euch dort blicken lasst. Ihr habt nichts mehr. Gar nichts. Nur die Lumpen, die Ihr am Körper tragt.«
    Johlend und lachend setzten sie ihn auf ein Schwein, das sogleich in höchster Panik zu schreien begann und sich in wilder Flucht von seiner Last zu befreien versuchte. Sie hielten ihn fest und rannten neben der Sau her, bis sie mitten auf dem Hof waren. Dann ließen sie ihn los, und er stürzte zu Boden. Gedemütigt bis aufs Blut.
    Von Cronen näherte sich ihm und trat ihm in die Seite. »Nun steht schon auf und verschwindet. Euer Anblick beleidigt uns.«
    Mühsam richtete Hinrik sich auf, sackte jedoch sogleich wieder auf die Knie. Zwei Knechte griffen ihm unter die Arme und schleiften ihn über den Hof, vorbei an dem ermordeten Tuz, hin zum Tor und der kleinen Brücke, die über den Gutsgraben führte.
    Als sie die Brücke passiert hatten, versetzten ihm die Knechte einen Tritt und drohten ihm weitere Prügel für den Fall an, dass er sich nicht entfernte.
    Auf allen vieren kroch er bis zu einem Baum, um sich daran aufzurichten, halb bewusstlos vor Schmerzen und vor Schwäche. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es ihm, auf die Beine zu kommen. Begleitet vom Gelächter und vom Spott der vier Männer, die ihn betrogen |17| hatten, stolperte er in die Dunkelheit hinaus. Ein eisiger Wind wehte von Osten her und überzog die Wiesen mit einem Tuch weißer Kälte.
    Erst vor wenigen Tagen hatte der Wind gedreht. Bis dahin war er von Westen gekommen und hatte die Wassermassen auf See aufgetürmt und in die Elbe und ihre Nebenflüsse gepresst. Danach war die Stör wie fast jedes Frühjahr über die Ufer getreten und hatte weite Teile des Landes überflutet. Als hätte der Ostwind lediglich darauf gewartet, lähmte er das Land nun mit Frost und ließ die Gewässer zu Eis erstarren. So erstreckte sich eine weite Eisfläche von den Ufern des Flusses bis an die Stadt Itzehoe.
    Hinrik schleppte sich über einen der vielen Dämme, die er in mühsamer Arbeit mit den Bauern aufgeschichtet hatte, um das Wasser daran zu hindern, allzu schnell von den Wiesen abzulaufen und dabei kostbaren Mutterboden mitzureißen. Immer wieder versagten ihm die Kräfte, und er sank auf die Knie.
    Die Nacht war dunkel, und es war nicht leicht, sich auf den Dämmen zu orientieren. Nur selten einmal gaben die rasch dahinziehenden Wolken den Mond frei und ließen zu, dass er ein wenig Licht spendete. Hinrik vermutete, dass es kurz nach Mitternacht war und dass ihm noch einige Stunden blieben, sich im Schutz der Dunkelheit seinem Anwesen zu nähern. Obwohl er wusste, dass es keinen Weg zurück gab und dass er gegen die vier hohen

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