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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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verkniffenen Mund, der sie strenger aussehen ließ, als sie war. Sie hatte in den letzten Jahren alle Zähne verloren, so dass die Lippen nach innen gesackt waren.
    »Er holt uns mit einer Sänfte ab«, bemerkte Greetje. »Ein prachtvolles Stück. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es wird schön sein, darin zu sitzen.«
    »Oberflächliches Blendwerk«, gab Ava verächtlich zurück |23| . »Damit zeigt er, aus welch wohlhabendem Haus er kommt.«
    »Und das ist nichts wert?«
    »Gar nichts. Es kommt auf die Persönlichkeit an, mein Kind, und in dieser Hinsicht steht es bei Christoph nicht zum Besten.«
    »Ja, das fürchte ich auch«, seufzte die junge Frau. Ohne noch weitere Worte zu verlieren, schritt sie mit Ava zur Reling, ließ diese zuerst hinaufsteigen und über die Bohlen gehen, um sich dann an den Schiffshauptmann zu wenden.
    »Habt Dank, Kapitän«, verabschiedete sie sich. »Ich werde von Cronen von Eurer Sorgfalt und Vorsicht berichten, die uns die Reise angenehm gemacht haben.«
    »Macht das«, murmelte er in seinen Bart, wobei er ihrem Blick verlegen auswich. Er war ein Grobian, der während der Fahrt mit unangenehm lauter Stimme Befehle erteilt und seine Männer übel beschimpft hatte, um sie anzuspornen und zum Gehorsam zu zwingen. Den beiden Frauen gegenüber aber war er hilflos, zumal er wusste, dass sie unter von Cronens besonderem Schutz standen.
    Als Greetje über die Bohlen schritt, trat Christoph von Cronen hinter der Sänfte hervor, stellte sich am Ufer auf und verneigte sich in eleganter Weise vor ihr. Sie hielt es für übertrieben, wie er mit seiner Hand wedelte, als wollte er sie unbedingt auf die kostbaren Spitzen aufmerksam machen, die unter dem Ärmel hervorsahen, und sie mochte es nicht, wie er anschließend mit einem zierlichen Taschentuch seine Nasenspitze abtupfte.
    »Meine liebe Jungfrau Greetje«, rief er. »Ich bin entzückt, Euch zu sehen. Nehmt meine Hand, damit ich Euch zur Sänfte führen kann.«
    Sie nahm die ausgestreckte Hand, an deren Fingern Ringe mit Edelsteinen blitzten, sah ihn jedoch nicht an und schritt mit ihm zur Sänfte. Einer der Träger öffnete |24| die Tür, und sie stieg ein, überrascht von der prunkvollen Ausstattung. Die Wände waren mit kostbaren Stoffen ausgeschlagen, und die kunstvoll geschwungenen Leisten an den beiden Türen waren mit Gold überzogen. Als sie scheu und mit einer gewissen Vorsicht in die Polster sank, gesellte sich Christoph von Cronen zu ihr. Er lächelte freundlich, bis der Diener die Tür schloss. Dann zog er die Vorhänge zu, so dass niemand mehr hereinsehen konnte.
    »O nein!«, wandte Greetje ein. »Das ist nicht schicklich.«
    Sie stieß die Tür wieder auf und ließ Ava herein, die sich schweigend neben sie setzte, um sie bis zum Haus der Familie von Cronen zu begleiten. Ava hatte eigentlich nur den Auftrag, Greetje nach Hamburg zu bringen. Nach einem kurzen Besuch bei von Cronen würde sie mit dem Schiff nach Itzehoe zurückkehren und sich um die Häuser kümmern, die Hans Barg gehörten. Der Arzt selbst wollte nach Hamburg übersiedeln.
    Die Träger hoben die Sänfte an und bewegten sich durch den Hafen. Immer wieder forderten die Männer lauthals, Platz zu machen und zur Seite zu gehen, damit sie passieren konnten.
    Christoph von Cronen lächelte nicht mehr. Mit zornig funkelnden Augen blickte er Greetje an.
    »Ich hege keine Sympathien für Euch, Jungfrau Greetje«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »wenngleich ich zugeben muss, dass mich Eure Zurückweisung reizt und dass Ihr trotz Eures fortgeschrittenen Alters von ansehnlichem Äußeren seid. Vor allem denke ich nicht daran, Euch zu ehelichen. Wozu auch? Man kann sich prächtig miteinander vergnügen, ohne den Bund der Ehe einzugehen.«
    »Wenn ich Euch zu alt bin«, erwiderte Greetje kühl und herablassend, »verlustiert Euch ruhig mit jüngeren Weibern. Es lässt mich kalt.«
    |25| »Wir werden die Form wahren«, betonte er und tat dabei so, als wäre Ava gar nicht vorhanden. »Ich werde auf meinen Vater einwirken und ihm deutlich machen, dass Ihr meinem Stand nicht entsprecht. Vielleicht verzichtet er darauf, uns miteinander zu vermählen.«
    »Ihr glaubt gar nicht, wie froh ich wäre«, stieß Greetje hervor. Ihre Lippen waren schmal und weiß geworden. Sie würdigte den Mann, der ihr gegenübersaß, keines Blickes, bemerkte aber sehr wohl, dass er sie abschätzend anstarrte. Voller Ungeduld harrte sie auf das Ende der Reise. Die Sänfte war ungemein bequem und bot

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