Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
Deutschen als Kartoffeln bezeichnen, die man abstechen muss, um die Mutprobe für die Aufnahme in die Bande zu bestehen. Wenn die Jugendämter überlastet sind und nicht mehr nachkommen trotz allen Engagements, die kleinen Kinder in die Schulen zu bringen. Wenn sie angespuckt werden. Wenn die Großfamilien mächtiger sind als die Behörden. Wenn die Seelen der Kinder in den Schulen zerstört werden durch die Angst vor der täglichen Qual durch die Gangs.
Ich bin kein Moralist, ich bin Realist. Ich weiß, was auf der Straße passiert, und ich weiß, was die wenigsten wissen. Ich weiß, dass ich anecken werde. Aber was soll’s, ich bin Kickboxer.
Epilog
D ie Flügeltüren zum Saal 500 sind noch geschlossen, es ist kurz vor neun Uhr morgens. Heute stehen keine Justizvollzugsbeamten vor dem Besuchereingang, noch nicht. Es gibt keine Bank und wenig Platz auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock.
Viel zu wenig Platz für diese Männer. Große, schwere Kerle in Anzügen und Lederjacken, trainierte Muskeln, gespannte Kiefer. Mitarbeiter von Kuhr Security.
Vor der Tür, eine Stufe höher: große, schwere Kerle in Jogginghosen und Lederjacken, breite Nacken, Gel in den Haaren. Sie sprechen arabisch miteinander. Mitglieder und Freunde der Familie J. Einige von ihnen stehen auch unten an der Treppe. Kuhr Security umzingelt?
Ein junges Mädchen, Jeans und Locken, hört ihnen aufmerksam zu und tuschelt mit ihrer Freundin, mal deutsch, mal arabisch. Ein alter Mann in abgewetztem Anzug, Rentner vielleicht, beobachtet die Szene, er steht einen halben Treppenabsatz tiefer.
Die an der Wand lehnenden Männer von der Kuhr-Front fixieren die Arabisch sprechenden Männer. Die wenden ihnen die Rücken zu.
Noch immer kein Justizbeamter. Zwei Stockwerke tiefer, am Einlass, kontrollieren acht Uniformierte: Personalausweise, keine Waffen, Schlüssel zu teuren Autos.
Nacheinander kommen zwei alte Frauen in langen Mänteln und Kopftüchern die steinerne Treppe hochgelaufen. Die eine war auch am letzten Prozesstag da, es könnte die Mutter J. sein. Die Arabisch sprechenden Männer treten zur Seite, um sie in ihren Kreis aufzunehmen.
Die an der Wand bewegen sich nicht.
Einer der Männer mit den Jogginghosen, ca. 1,80 Meter groß und stämmig, sagt auf Deutsch zu denen an der Wand: »Mach mal Platz!«
Die Männer an der Wand rühren sich nicht, Hände hinterm Rücken verschränkt, breitbeinig.
Der Stämmige tritt aus dem Kreis, an die Kante der Stufe, Kinn nach vorne gereckt. »Mach Platz, das sind Frauen, Mann!«
In die Gruppe der Männer an der Wand kommt Bewegung. Sie drängeln aneinander. Nur einer – auch er ein Schrank von Mann – bleibt ungerührt. Kein Platz für ihn, beiseitezurücken. Zu viele Leute, zu wenig Platz.
Der stämmige Mann mit Befehlston fühlt sich angegriffen, springt sofort darauf an und macht einen Schritt auf den an der Wand zu. Die Mädchen hüpfen auf und die Treppe ein paar Stufen hinunter, in Sicherheit.
»Was willst du? Willst mich provozieren?«
Der an der Wand blickt immer noch geradeaus und sagt mit abschätzigem Ton: »Geht’s vielleicht auch etwas freundlicher? Ich bin nicht dein kleiner Junge!«
Der Stämmige droht zu explodieren. Seine Leute halten ihn fest. Er zischt: »Arschloch, fick dich!« Ein Wort gibt das andere: »Kannst meinen Schwanz lutschen, Alter!«
Durch die ganze arabische Gruppe auf dem Absatz geht ein Ruck. Die Mädchen springen noch einen Treppenabsatz tiefer. Die beiden älteren Frauen versuchen, die Männer zurückzuhalten.
In dem Moment kommen vier Uniformierte die Treppe hochgerannt, ihre Springerstiefel knallen auf den Steinstufen. Breite Kerle mit Schusswesten und Schlagstöcken. Drei weitere kommen die Treppe von oben herunter. Perfektes Sandwich: Polizei – J.-Clan – Kuhr Security – J.-Clan – Polizei. Die Uniformierten treiben die Parteien auseinander. Gut, dass sie gleich da waren. Sonst hätte es bestimmt geknallt.
Nun bleibt es still. Still, aber nicht ruhig. Die Luft vibriert von Aggression. Bis die Türen zu Saal 500 sich öffnen und die Besucher ihre gewohnten Plätze einnehmen.
Michael Kuhr ist zum zweiten Mal als Zeuge geladen. Er erscheint diesmal in Begleitung seines Rechtsberaters Dr. h.c. Michael Bärlein. Der setzt sich ihm zur Seite und rät, ob und wie er auf Fragen der Verteidiger antworten kann. Die wollen von Kuhr noch mal ganz genau wissen, wie sein Unfall passierte und was ihm sein Mitarbeiter gesagt habe. Der Mitarbeiter,
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