Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
haben. Wen wundert’s?
Zwei Jahre später verprügelte Nissan einen Türsteher und brach ihm dabei das Nasenbein, vor einer Disco, zwei Tage nach seiner Entlassung aus der Haft. Er wurde wieder festgenommen, bekam aber mit Hilfe seines Anwalts Freigang. Ein Gutachter urteilte, dass Nissan kein Hang zu gefährlichen Straftaten nachgewiesen werden könne. Bei rund 80 begangenen Straftaten? Was ist denn das für ein Blödsinn? Also musste er sich nur regelmäßig bei der Polizei melden und kam nicht wieder in den Knast. Dieser Pflicht kam er im Februar 2007 auch nach. Als die Polizei ihn jedoch aufgrund mehrerer bekannter Vorfälle nicht wieder gehen lassen wollte, wehrte er sich gegen eine Festnahme, verletzte einen Polizisten und floh.
Dann wurde er im März 2007 von einem Spezialkommando gestellt, am Potsdamer Platz. Er wollte fliehen und fuhr mit seinem Auto drei Menschen an, eine Frau kam ins Krankenhaus. Ein Jahr später wurde er zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Da füllte sein Strafregister 29 Seiten. Weil er im Knast Gefängnisangestellte angegriffen hatte, bekam er noch mal vier Monate Haftverlängerung. Am 19. Oktober 2010 durfte er die JVA Tegel verlassen.
Doch nun kommt es noch schlimmer. Jetzt zieht er mit einer Rockerbande durch die Straßen. Mit dieser Macht, die so ganz offiziell nach außen gezeigt wird, potenziert sich sein kriminelles Dasein doch erst recht.
In den Zeitungen konnte man lesen: Keine vier Wochen nach Nissans Haftentlassung habe es eine üble Schießerei in Neukölln gegeben. Mit Nissan und Mitgliedern mehrerer arabischer Clans. 18 Schüsse fielen, unter anderem wurde der 19-jährige Bruder von Nissan ins Krankenhaus gebracht. Die Zeitungen sprachen von »Schusswechsel« und »Bandenkriminalität«.
In den Kreisen, die ich kenne, geht die Geschichte so:
Nissan wollte vor einigen Jahren in einen Club rein. An der Tür stand eine arabische Großfamilie. Die haben ihn nicht reingelassen. Also beleidigte er sie. Auf die übliche Tour: »Fick dich«, »Ich fick deine Mutter«, »Ich fick deine ganze Familie«. Daraufhin haben sie ihn fast totgeschlagen, so dass der Notarzt ihn wiederbeleben musste. Im Krankenhaus wurde er wieder zusammengeflickt. Geändert hat das an seiner Art nichts. Er war dann mal wieder im Knast.
Als er rauskam, haben ihn die Hells Angels Berlin City abgeholt. Jetzt hatte die Familie, die ihn am Matrix-Club halb totgeschlagen hatte, die Befürchtung, er könnte Rache nehmen. Mit den Hells Angels im Rücken. Weil die Justiz Nissan wieder der Öffentlichkeit ausgesetzt hat und der Polizei »die Hände gebunden sind«, übten sie Selbstjustiz. Sie schossen mehrfach auf ihn, um zu zeigen: Nächstes Mal bist du tot. Allerdings hatte er nur einen Streifschuss. Wahrscheinlich fühlt er sich jetzt erst recht unbesiegbar!
Das ist kein Einzelschicksal. Nur ein Beispiel dafür, was in und zwischen den einzelnen Szenen der Unterwelt so abgeht. Leider ist so was mittlerweile zur Normalität in Berlin geworden.
Die Rocker haben kriminelle Strukturen und Organisationen, die über Jahre und Jahrzehnte gewachsen sind. Und die werden jetzt auch von in Deutschland lebenden Türken und türkischen Deutschen, arabischen Deutschen und in Deutschland lebenden arabischen Staatenlosen genutzt. Da vermischen sich also verschiedene Gruppierungen. Mit der Folge, dass Netzwerke entstehen, die total außer Kontrolle geraten.
Man fragt sich natürlich, wie die Rocker und insbesondere die Clans überhaupt so mächtig werden konnten.
In Berlin gibt es ungefähr sieben ausländische Großfamilien mit deutlich kriminellen Strukturen. Manche ihrer Mitglieder leben auch in Niedersachsen, Bremen oder Nordrhein-Westfalen. Mindestens zwei der Familien sind bereits in der zweiten Generation durchgehend polizeilich erfasst. Die meisten von ihnen sind Flüchtlinge aus dem Libanon. Sie sind aufgrund von bestimmten politischen, historischen und sozialen Umständen zu dieser Macht gekommen.
Unter den Libanon-Flüchtlingen gibt es drei Gruppen: Libanesen, Palästinenser und Mhallami-Kurden. Sie haben verschiedene Dokumente. Bei den libanesischen Palästinensern und den Mhallami-Kurden steht unter Nationalität in der Regel: »ungeklärt« oder »staatenlos«, weil sie bei ihrer Ankunft in Deutschland keinerlei Papiere vorweisen konnten.
In Deutschland leben etwa 200 000 Menschen aus dem Libanon. Fast alle haben einmal Asyl beantragt. Sie kamen aus einem Land, in dem 15 Jahre Bürgerkrieg
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