Der Brand der Cheopspyramide
Schein!«
Sie alle suchten. Nun sahen sie es auch. Wie gebannt starrten sie auf den besonderen Fleck, der größer und größer zu werden schien. Je mehr er wuchs, desto heller wurde er. Jetzt schimmerte er in hellem Gelb. Wuchs dabei immer weiter –
Jetzt… Er hatte sich schon um den Eingang herumgefressen. Deutlich hob sich aus dem schimmernden Glast die dunkle Röhre des Ganges ab, der ins Innere der Pyramide führte.
Als wenn das Feuer aus sich selbst heraus größere Kraft schöpfte… die helle leuchtende Fläche dehnte sich mit immer größerer Schnelligkeit aus… erreichte nun die Kanten zu beiden Seiten. Ergoß sich an einzelnen Stellen darüber hinweg… die feurigen Zungen flossen zusammen, vereinigten sich. Immer schneller griff der Brand um sich… erreichte die Spitze der Pyramide.
Kaum, daß sie’s noch sahen… Geblendet von dem übermächtigen Glanz, schlossen sie die Augen, deckten sie mit den Händen.
Erst jetzt faßten ihre Sinne dies ganze ungeheuerliche Schauspiel… erst jetzt begann die Wucht dieser größten Tragödie des Jahrtausende alten Bauwerks auf sie zu wirken.
Überwältigt von dem Erschauten… erschüttert bis in die innersten Tiefen ihrer Seele verharrten sie so.
Iversen schaute auf. Um ihn herum alles taghell wie im stärksten Sonnenschein. Behutsam machte er sich von den Armen Modestes frei, die sich an ihn geklammert. Ging zu Harder, der am Bug stand. Der reichte ihm ein geschwärztes Glas.
»Schaut jetzt dahin!« Er deutete zur Seite, zur Oase.
Neuer Schrecken… Das Splendid-Hotel, den Pyramiden am nächsten… seine Südseite brannte schon in hellen Flammen. Wehe denen, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatten.
Über die große Nilbrücke ein doppelter Strom von Kraftwagen, Fahrzeugen aller Art in rasender Hast. Immer neue Kolonnen von Kairo her, das sie wie im hellen Sonnenglanze in allen Einzelheiten klar vor sich sahen. Deutlich konnte man in den taghell erleuchteten Straßen der Stadt ein wirres Durcheinander aufgeregter Menschenmassen sehen.
Ein kühler Luftzug strömte über sie hinweg. Wurde stärker, wurde Sturm. Man sah, wie er den Brand immer gewaltiger entfachte…
Die Jacht begann leise zu schaukeln. Die Bewegung wurde immer stärker. Nur mit Mühe hielten die sausenden Schrauben das Schiff an seinem Ort.
Der Führer der Jacht trat jetzt auf Harder zu.
»Wir müssen weiterfliegen oder in größere Höhen gehen. Die Propeller vermögen nicht länger dem wachsenden Sturm Widerstand zu leisten.«
Harder ließ noch einmal den Blick über das schaurige Bild da unten gleiten.
»Fort von hier! Nehmen Sie kürzesten Kurs auf Rom!«
Die Propeller sprangen an. Die Jacht stieg in steilem Flug in die Höhe.
Der Brand schien zurückzuweichen. Je weiter er wich, desto freier wurden sie von dem Bann, in den das Ungeheure sie geschlagen. Ihre Zungen lösten sich. Sie fanden die Kraft wieder zur Sprache.
Die Luken der Jacht wurden dichtgemacht. Das Schiff stieg eine Meile höher, jagte durch die verdünnte Atmosphäre nach Nordwesten.
Sie standen am Heck des Schiffes. Längst hätte das glühende Dreieck der brennenden Pyramide unter die Kimme sinken müssen.
Aber?… Was war das?… Die Pyramide schien in den Himmel zu wachsen…
War’s ein Spiegelbild?…
»Glühender Wüstensand!« schrie Harder, »Sand, den der rasende Verbrennungswind da zusammenträgt… über dem glühenden Herd in die Höhe reißt.«
Die Küste Kretas tauchte vor ihnen auf. Noch immer hinter ihnen der Glutschein im Südosten.
Harder versuchte den Bordsender arbeiten zu lassen. Unmöglich. Keine Verbindung zu bekommen. – Der Äther erfüllt von Tausenden von Funkdepeschen. Auf allen Wellenlängen schwirrte es um den ganzen Erdball hin und her.
Die Neugier erregte die Menschheit in allen fünf Erdteilen. Die ersten Nachrichten waren blitzschnell bis in die fernsten Erdenwinkel gedrungen. – Jeder wollte weiteres über die Katastrophe hören. Alle Stationen von der größten bis zur kleinsten in fieberhafter Arbeit… Die Überzahl der Depeschen machte jede Verständigung unmöglich…
*
»Endlich… es war kaum zu glauben… sind die würdigen Häupter der europäischen Staatsweisheit sich doch noch einig geworden. Nach dem wenig versprechenden Anfang hatte ich schon geglaubt, vor Jahresende würde das frohe Ereignis nicht zu erwarten sein.« Harder sprach es, während er in Begleitung Eiseneckers die große Freitreppe des Berner Parlamentsgebäudes
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