Der Brander
viel gewesen und zu bald nach seiner schweren Verwundung gekommen. Wie zum Hohn wühlte der alte Schmerz wieder in seinem Schenkel. Er versuchte, sich an Belindas Berührung zu erinnern, aber es gelang ihm nicht.
Er rief: »Kapitän Keen, wenn es dunkelt, löschen wir alle Lichter und gehen über Stag. Neuer Kurs Nordwest. Bis zum Morgen will ich dieses fremde Schiff in unserem Lee sehen, damit wir es stellen können.«
Schon öffnete Keen den Mund zum Protest, tippte dann aber gehorsam an den Hut. »Ich lasse jeden Fetzen Tuch setzen, Sir«, versprach er.
Bolitho verschwand im Schatten unter dem Hüttendeck und begab sich nach achtern in sein Quartier.
War sein Entschluß überhastet, vielleicht sogar kindisch?
Achates
segelte allein, und dennoch hing so viel von ihr ab wie von einem Geschwader oder sogar von einer ganzen Flotte. Seine Leute hatten sich diese Mission nicht ausgesucht. Keen, der verbitterte Erste Offizier Quantock, sogar der Bootsmannsgehilfe Christy, der über sein gutes Gedächtnis so gerührt gewesen war, sie alle konnten Besseres von ihrem Admiral erwarten.
Aber es gab einen entscheidenden Unterschied. In Keens Gedanken nahm das Schiff mit seiner Besatzung die erste Stelle ein, ihr Auftrag die zweite. Aber für Bolitho mußte die
Achates
ein Werkzeug sein, eine Waffe, um seinen Auftrag notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Zum erstenmal wurde ihm die Tragweite seiner neuen Verantwortlichkeit klar, und diese Erkenntnis festigte ihn.
Allday stapfte in die Kajüte und hängte den alten Säbel an seinen Platz. Er putzte und polierte ihn gern, auch wenn das bei der alten Waffe nicht viel nützte; aber so hatte er wenigstens einen Vorwand, nach Belieben kommen und gehen zu dürfen.
Mit einem Seitenblick auf Bolitho, der mit windzerzaustem Haar auf der Bank unter den Heckfenstern saß, stellte er fest, daß der Vizeadmiral wieder die Ruhe selbst war. Der Sturm schien vorbeigezogen zu sein.
»Ich frage mich, Sir…«
Bolitho fuhr herum, er merkte erst jetzt, daß er nicht mehr allein war. »Was?«
»Na ja, Sir, ich meine, wenn Sie Gouverneur dieser Insel wären, die wir jetzt den Musjös in den Schoß werfen, was würden Sie dann tun?«
Bolitho erhob sich und ging zum Weinkabinett hinüber, wo er zwei Gläser Brandy eingoß.
Eines reichte er dem erstaunten Allday und sagte: »Danke. Das ist genau der Punkt.« Der Brandy brannte auf seinen Lippen. »Was ich tun würde, Allday? Ich würde mich wehren, würde kämpfen. Und genau das wird er wahrscheinlich tun.«
Allday atmete auf. Er verstand zwar nicht ganz, was er mit seiner Frage bewirkt hatte, aber es erleichterte ihn, daß sich Bolithos Stirn glättete.
Bolitho sah ihn voll Zuneigung an. »Dir hätten sie einen Sitz im Parlament geben sollen, Allday.«
Allday stellte sein leeres Glas ab. In dieser Stimmung kannte er seinen Admiral noch nicht. »Dafür bin ich zu ehrlich, Sir.«
Lachend wandte sich Bolitho den Fenstern zu und studierte die Wirbel des Kielwassers, das
Achates
hinter sich herzog.
Nein, für San Felipe gab es keine einfache Lösung.
Vielleicht hatte Sheaffe deshalb einen Mann gebraucht, der nicht nur taktvoll, sondern vor allem tapfer war. Aber da mußte erst Allday kommen und ihn darauf stoßen.
»Alle Mann auf Stationen, Sir, Schiff klar zum Gefecht.«
Keens Stimme kam aus der Dunkelheit, Bolitho konnte die Gestalt des Kommandanten kaum von den anderen Männern an der Querreling unterscheiden.
Keens ständiges Exerzieren hatte bei der schon von ihrem alten Kommandanten gedrillten Mannschaft gute Früchte getragen, dachte Bolitho. Das Kommando »Alle Mann!« hatte die Leute früh alarmiert; sie hatten noch eine warme Mahlzeit bekommen, ehe sie alle Feuer löschten und das Schiff gefechtsklar machten.
Trotzdem gab es kaum Anzeichen für Nervosität oder Furcht vor drohender Gefahr. Es herrschte doch Friede, weshalb sollten sie sich also ängstigen?
»Das ging leise vonstatten«, lobte Bolitho.
Er schauderte kurz in dem kalten, feuchten Wind, der quer über Deck fauchte. Erst in einer Stunde würde die Sonne aufgehen und mit ihrer Wärme die Planken zum Dampfen und das Pech der Decksnähte zum Schmelzen bringen.
»Kurs West zu Nord liegt an, Sir.«
Bolitho nickte. Das war Segelmeister Knockers Stimme gewesen. An Ruder und Kompaß hatte er das Sagen, ein Mann, der nur selten lächelte, hager und hochgewachsen, mit dem asketischen Gesicht eines Mönchs. Aber seine Kursberechnungen und Standortbestimmungen waren so
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