Der Brander
zuverlässig, wie sich Bolitho es nicht besser wünschen konnte.
Einige Stückmannschaften auf dem Batteriedeck flüsterten miteinander und stießen sich an. Ihnen war alles willkommen, was die langweilige Routine unterbrach. Was scherte es sie, wenn ihr Admiral verrückt genug war, wegen irgendeines blöden Fremdlings gefechtsklar zu machen?
Eine andere Stimme meldete: »Es dämmert schon, Sir.«
Bolitho wandte sich um und spähte achteraus, wo sich die Kimm allmählich abzuzeichnen begann. Wie viele Morgendämmerungen hatte er so schon erlebt? fragte er sich. Und wie oft hatte er damit gerechnet, daß es sein letzter Tag war, den er da anbrechen sah?
Wieder eine neue Stimme: »Der Strolch kann uns in der Nacht durch die Lappen gegangen sein.«
Der Marinesergeant stampfte mahnend mit seiner Pike auf und befahl: »Schluß jetzt, Jungs! Ich bitte mir Ruhe aus!«
Schon wurden die gekreuzten Brustriemen der Marinesoldaten an den Finknetzen heller, und als Bolitho zur Großmaststenge aufblickte, sah er ihr Topp in fahles Gold getaucht. Wie die Spitze einer Lanze.
Die Ausguckposten oben in den Krähennestern oder den schwankenden Marsen würden das fremde Schiff als erste sehen. Falls es noch da war.
Während der ganzen Nacht hatte Keen die
Achates
nach Luv geknüppelt, hatte sich mühsam jede Meile mit dichtgeholten Brassen und mit Rahen erkämpft, die beinahe längsschiffs standen: eine fast lückenlose Wand aus Segeltuch und Spieren.
Achates
machte ihrem guten Ruf alle Ehre. Sie reagierte willig und ließ sich von Segeln und Ruder anspornen wie ein Vollblüter.
Bolitho lauschte dem Zischen, mit dem die See in Lee an der Bordwand abfloß, und dem gelegentlichen Quietschen einer Stücklafette, deren Taljen die Last zu spüren bekamen.
Vorn östlichen Horizont floß das Tageslicht heran wie goldene Lava, die das Schiff zu verfolgen schien.
»Da ist sie! In Lee voraus!«
Jetzt redeten alle zugleich, und Bolitho sah Keens Zähne aufleuchten, als dieser grinsend dem Segelmeister zunickte.
Die Position, die sie sich erkämpft hatten, war noch günstiger als erwartet. Sie hatten nun den Windvorteil des Luvschiffs und konnten ihn auch halten, falls es zu einer Verfolgungsjagd kam.
Bolitho starrte zu dem fernen Schemen hinüber, der auf dem dunklen Wasser langsam Gestalt annahm.
Mit einem Klicken schob Keen sein Teleskop zusammen. »Doch größer als ein Schiff der fünften Klasse, Mr. Pas – äh, Mr. Bolitho«, sagte er.
Einige der Umstehenden schmunzelten, und Bolitho freute sich wie schon oft, daß er Adam um sich hatte.
Er hörte seinen Neffen zu Keen sagen: »Ganz Ihrer Meinung, Sir. Wahrscheinlich eher ein kurzer Zweidecker.«
Keen trat zu Bolitho heran. »Ihre Befehle, Sir?«
»Wir warten ab. Noch hat er uns nicht bemerkt. Wenn es soweit ist, fordern Sie ihn auf, sich zu identifizieren.«
Unglaublich, daß die
Achates
ungesehen so nahe herangekommen sein sollte. Das andere Schiff stand jetzt eine knappe Kabellänge an Backbord voraus, so daß sie schon sein weißes Kielwasser unter dem Heck schäumen sahen. Das Brausen des Windes in
Achates’
durchgesetztem Rigg, das Brummen ihrer Spieren klangen laut genug, um Tote zu erwecken. Aber Bolitho wußte, wie leicht man sich dabei täuschte.
Plötzlich wurden die Geräusche von See und Wind durch ein schrilles Pfeifen drüben übertönt. Er konnte sich die Szene genau vorstellen: ein verschlafener Ausguckposten, der wahrscheinlich Befehl hatte, beim ersten Licht nach
Achates
in Lee Ausschau zu halten, und unten die müden Wachgänger, die ihre Ablösung und ein warmes Frühstück im Kopf hatten. Das war alles nur zu begreiflich.
Plötzlich Quantocks scharfe Stimme: »Sie setzt die Bramsegel!« Keen nickte. »Die geben Fersengeld, Sir. Also hatten sie doch nichts Gutes vor.«
Bolitho spürte einen kalten Schauer über den Rücken laufen, als erlebe er das alles zum erstenmal: Triumph, Erregung oder Wahnsinn, wer wollte das beurteilen?
»Sobald es hell genug ist, setzen Sie Ihr Signal ab. Und bis dahin halten Sie ihn an Backbord voraus.«
Keen nickte; die Erregung wirkte ansteckend, wie immer seit seinen Kadettentagen, vor einer Ewigkeit und in einem anderen Erdteil.
»Lassen Sie die Toppgasten aufentern, Mr. Quantock. Wir brauchen mehr Segelfläche.«
Pfeifen schrillten, während schon die ersten Männer zu beiden Seiten in den Webeleinen emporkletterten; beim Aufentern erfaßte sie die fahle Morgensonne und ließ ihre Körper erglühen.
»Noch
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