Der Brandstifter
Händen, obwohl kein Lüftchen wehte. Sie hatte die Flamme zu groß eingestellt und versengte sich beinahe den Pony daran.
» Scheiße.« Sie blinzelte ein paar Mal erschrocken und warf dann dem Fremden einen schuldbewussten Blick zu. » Sorry, ich sollte nicht fluchen.«
Er zuckte die Schultern. » Stört mich nicht. Wie heißt du eigentlich?«
» Kelly.« Sie klappte die Sonnenblende herunter, begutachtete sich im Spiegel und zupfte ihren Pony zurecht. » Und wie heißen Sie?«
Er zögerte kurz und sagte dann: » Dan.«
» Woher kommen Sie denn? Aus Birmingham?« Sein Dialekt klang nach Mittelengland, dachte sie. Doch er schüttelte den Kopf.
» Hier aus der Gegend.«
» Ach so?«
Er nickte und blickte starr auf die Straße. Kelly sah ebenfalls aus dem Fenster und betrachtete die Geschäfte, an denen sie vorbeikamen. Sie runzelte die Stirn.
» Hier sind wir aber nicht richtig.«
Er antwortete nicht.
» Wir sind falsch hier«, wiederholte sie. Es war ihr unangenehm, sich zu beklagen, wo er doch so hilfsbereit war. » Sie haben sich verfahren. Sie hätten vorhin links fahren müssen, nicht geradeaus.«
» Der Weg hier ist besser.«
» Ist er nicht«, entgegnete Kelly verärgert. » Ich werde doch wohl wissen, wie man am besten zu mir nach Hause kommt.«
Statt einer Antwort wechselte er den Gang und beschleunigte.
» He«, rief sie erschrocken und stützte sich am Armaturenbrett ab, das sich ziemlich verdreckt anfühlte. » Können Sie nicht langsamer fahren?«
Der Wagen polterte die Straße entlang, ein ganzes Stück zu schnell für ihren Geschmack. Er wirkt nervös, dachte sie und versuchte, ihn blinzelnd zu fixieren. Seine Lippen waren aufgesprungen, und er fuhr immer wieder mit der Zunge darüber. Kellys Lippen fühlten sich daraufhin ebenfalls trocken an, sodass sie aufpassen musste, nicht dasselbe zu tun. Urplötzlich fing sie an zu frieren, der Alkoholnebel lichtete sich, und nüchterne Angst trat an seine Stelle. Worauf hatte sie sich da bloß eingelassen? Ihre Mutter hatte ihr doch immer wieder eingeschärft, keinem Fremden zu vertrauen. Und nun fuhr sie in dieser finsteren Donnerstagnacht mit einem Mann, den sie nie zuvor gesehen hatte, in seinem Auto wer weiß wohin. Bei ihrem Dad hatte sie in der Zeitung eine Überschrift gelesen, dass gerade ein Frauenmörder sein Unwesen trieb. Vier junge Frauen waren schon ermordet und verbrannt worden. Junge Frauen wie sie. Die Polizei hatte keine Ahnung, wer der Mörder war oder wie sie ihn fassen konnte. Er lief frei herum und machte Jagd auf schutzlose Frauen, die allein unterwegs waren. Selbst Kelly, die sich sonst nie um die Nachrichten kümmerte, hatte von ihm gehört. Obwohl es gar nicht allzu spät war und immer noch Leute auf der Straße zu sehen waren, fühlte sich Kelly so einsam wie nie zuvor.
» Hören Sie, lassen Sie mich einfach hier aussteigen. Ich möchte lieber zu Fuß gehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
» Nun bleib mal locker.«
An einer Ampel kam der Wagen surrend zum Stehen. Kelly tastete nach dem Türgriff.
» Der ist kaputt«, sagte er, ohne sie anzuschauen. » Die Tür geht nur von außen auf. Und jetzt mach mal halblang, ja?«
» Ich will aber aussteigen!« Ihre Stimme klang jetzt gereizt, nahezu hysterisch, und der Fahrer verzog das Gesicht.
» Jetzt krieg dich bloß ein. Ich halte ja gleich an und lasse dich raus, wenn du unbedingt willst.« Er bog in eine enge Anwohnerstraße ein, die vollkommen zugeparkt war. » Hier ist keine Lücke frei. Mal sehen, ob es weiter unten besser aussieht.«
» Weiter unten« war eine schmale Einfahrt zwischen Gartengrundstücken, eine kaum einsehbare Sackgasse, wie Kelly mit panischem Schrecken erkannte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als das Auto schließlich zum Stehen kam.
» Was ist los? Wieso halten Sie an?«
» Ich dachte, du wolltest aussteigen? Ich kann dich hier rauslassen.« Er stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus. Jetzt war es ringsherum stockdunkel. Kelly konnte ihn nur noch schemenhaft neben sich erkennen. Voller Angst nahm sie den Pfefferminzgeruch und den leichten Benzindunst wahr; sie dachte an die Frauen, deren Leichen irgendwo abgeladen worden waren, an den Mörder in den Schlagzeilen, wo er » der Brandmörder« hieß. Sie hörte, wie er sich bewegte, und konnte in der Dunkelheit des Autos nicht ausmachen, ob er sich ihr näherte. Ohne nachzudenken, ohne sich überhaupt ihrer Bewegung bewusst zu werden, langte sie nach unten und holte das Messer
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