Der Brandstifter
Teil der Wahrheit, denn allen Beteiligten kam es ausgesprochen gelegen, wenn ich dazukam. Ich konnte Robs Grinsen förmlich hören. Manchmal war er echt ein blasierter Idiot, aber ich verzieh ihm das, denn schließlich wollte ich tatsächlich dabei sein. Und ohne seinen Anruf hätte ich alles erst aus den Nachrichten erfahren.
» Welches Krankenhaus?«
» Kingston.«
» Bin in einer halben Stunde da«, versicherte ich, ohne darüber nachzudenken. Von Primrose Hill bis Kingston war es ziemlich weit, und ich gehörte dringend unter die Dusche. Mein Haar klebte schon am Kopf. Ausgeschlossen, dass ich mit ungewaschenen Haaren aus dem Haus ging. Nicht schon wieder. » Sagen wir lieber vierzig Minuten.«
» Wir sind auf der Intensivstation. Handys sind also aus. Ruf die Anmeldung an, wenn du uns suchst.«
» Alles klar.«
Ich stellte vorsorglich die Dusche an, ehe ich zur Toilette ging. Aber als ich in das mit Schieferfliesen ausgekleidete Duschbecken stieg, war das Wasser noch nicht einmal ansatzweise warm genug. Ich zuckte, als die kleinen Wasserspritzer auf meinen gänsehäutigen Körper trafen. Der Duschkopf war so groß wie ein Suppenteller und spuckte Wassermengen aus wie im tropischen Regenwald, nur waren die einfach zu kalt für mich. Da war das Design wohl wieder mal wichtiger gewesen als die Funktion. Aber da es nicht meine Wohnung war, konnte ich mich auch nicht beklagen. Offiziell wohnten wir zusammen hier, allerdings fühlte ich mich mehr wie ein Gast. Und als solcher noch nicht mal unbedingt immer willkommen.
Mit angezogenen Armen und unter dem Kinn zusammengepressten Händen versuchte ich mich einigermaßen warm zu halten. Als das Wasser gerade so eben noch lauwarm war, kostete es mich einige Mühe, meine Finger voneinander zu lösen und nach dem Shampoo zu greifen. Hastig öffnete ich den Deckel und sah fluchend zu, wie er über die zum Abfluss hin leicht abschüssigen Fliesen schlitterte. Ich ließ ihn einfach dort liegen und hatte die Stimme meiner Mutter im Ohr, die immer sagte: Tiefer kann es ja nicht mehr fallen… Zwei Minuten später trat ich mit dem Fuß darauf und erstickte einen Aufschrei in der Armbeuge. Der Schmerz an der Fußsohle war kaum auszuhalten. Fluchen half allerdings, wovon ich auch ausgiebig Gebrauch machte.
Ich bearbeitete meine Kopfhaut, bis mir die Unterarme wehtaten, und ließ mir dann das Wasser so lange über die Haare laufen, wie ich es aushalten konnte. Mit geschlossenen Augen spürte ich, wie mir der Schaum über das Gesicht lief. Was für ein Gefühl, endlich wieder sauber zu sein und zu wissen, dass der Fall kurz vor dem Abschluss stand. Ich wollte für immer so stehen bleiben. Und schlafen wollte ich– ganz, ganz dringend.
Aber jetzt war nicht daran zu denken. Ich musste los. Wenigstens war ich einigermaßen wach, als ich schließlich aus der Dusche kam– zumindest gemessen an den momentanen Umständen.
So leise ich konnte, schlich ich zurück ins Schlafzimmer, doch als ich ein Kostüm aus dem Schrank nahm, klapperten die Bügel auf der Kleiderstange. Ich biss mir auf die Lippe, weil sich hinter mir im Bett etwas regte.
» Was ist denn los?«
Wenn Ian nichts gesagt hätte, hätte ich ihn nicht angesprochen. An diese Regel hielt ich mich, wenn ich mitten in der Nacht aufstehen musste, weil die Arbeit rief. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob er überhaupt etwas von dieser Regel wusste.
» Ich bin mit einem Mörder verabredet.«
Dafür schenkte er mir sogar einen anerkennenden Blick. » Habt ihr ihn also? Gratuliere.«
» Ist nicht unbedingt mein Verdienst, aber danke.«
Er drehte sich auf den Rücken und bedeckte sein Gesicht mit dem Arm, weil ihn das Licht blendete. Er lag jetzt– typisch für ihn– in der Mitte des Bettes. Ich unterdrückte den Drang, ihn zurück auf seine Seite zu schieben, und deckte ihn stattdessen wieder richtig zu. Siehst du, wie ich mich um dich kümmere? Merkst du, wie aufmerksam ich bin?
Die Antwort lautete » Mmm«. Er war schon fast wieder eingeschlafen. Ich entfernte die Plastikhülle aus der Reinigung von meinem Kostüm, knüllte sie zusammen und presste sie in den Mülleimer. Der Stoff roch so nach Chemie, dass ich die Nase rümpfte und mich kaum überwinden konnte, die Sachen anzuziehen. Der Wetterbericht hatte einen kühlen und regnerischen Tag vorhergesagt, und ich dachte sehnsüchtig an in Stiefel gestopfte Jeans, dicke Pullover und lange Strickschals. Meine Güte, sich erwachsen kleiden zu müssen war wirklich
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