Der Brennende Salamander
anzunehmen, daß dies in der nächsten Zeit der Fall sein würde.
Ich setzte mich bewußt so, daß ich das Bett im Rücken hatte, weil ich nicht ständig daran erinnert werden wollte. Ich schnitt also meine Speckseite auf, trank Wein, den ich aus einem kleinen Fäßchen in der Küche gezapft hatte, und säbelte eine dicke Scheibe von meinem Brotlaib. Die Kerzen, die ich angezündet hatte, waren billige Talgware, nicht aus Wachs, sie flackerten, und ich stellte sie nach einer Weile an eine andere Stelle. Aber nun warfen sie den Schatten des Bettes riesengroß an die gegenüberliegende Wand, und es sah aus, als erwartete das Bett einen Riesen als Schlafgast. Ich fand mich albern und drehte den Stuhl wieder in die frühere Richtung. Weshalb sollte ich dieses Bett nicht betrachten, nachdem ich es doch in Kürze besteigen würde. Und ich befahl mir, mich nicht wie ein kleiner Junge zu benehmen, der soeben sein Sündenbekenntnis vorbereitet.
Irgendwann stellte ich dann fest, daß das Linnen nicht glattgezogen war, was mir zuvor nicht aufgefallen war, und es schien mir, als ströme ein sanfter Duft von Lavendel zu mir herüber. Es konnte also erst kurze Zeit vergangen sein, seit Brigida hier geschlafen hatte. Bringt Zink und Fideln mit, hatte sie gesagt, und eure Flöten, wenn ihr kommt, dann können wir die Nächte durchmusizieren und tanzen, da wir allein im Haus sind. Und es hatte geklungen, als sei alles wie immer – und nie eine Hochzeit geplant. Eine Hochzeit mit einem Menschen, den keiner von uns bisher kannte. So saß ich bei Kerzenlicht an diesem großen Holztisch und hatte dabei ein mehr als seltsames Gefühl. Wie gesagt, wir – Rocco, Daniele, Lazzaro und ich – hätten eigentlich in der kleinen Kate neben dem Haus des Fattore wohnen sollen. Wir wären dann jeden Morgen zu unserer Arbeit heraufgestiegen und am Abend wieder hinunter. Unser Auftrag war exakt umrissen, die Wände der Kapelle und des Flurs waren bereits grundiert, und Rocco hatte die Miniaturskizzen schon mit Hilfe vergrößerter Schablonen und Rötel auf den Wänden vorgezeichnet. Lazzaro und ich sollten – nachdem Rocco als unser Meister wie üblich die ›fleischlichen‹ Teile der Figuren gestaltet hatte – den Rest der Gemälde übernehmen, wie es Brauch war, wenn man in einer compagnia zusammenarbeitete. Aber Rocco hatte auch entschieden, daß ich diesmal den Arm der Madonna und vor allem ihre Hand malen durfte. Eine große Auszeichnung für einen Maler, der noch Geselle war und die vorgeschriebene Zeit als lavorante noch nicht abgeleistet hatte. Bis jetzt hatte ich meistens Landschaften in ein Bild einzufügen, hier ein Stückchen Wiese, dort einen Wasserfall, einen Baum oder eine Baumgruppe. Daniele, der früher als Matratzenmacher gearbeitet hatte, war im übrigen unser garzone . Er mußte den Leim kochen, Gips mahlen und Farben anrühren. Und er band unsere Pinsel.
Ich spürte, wie die Müdigkeit ganz langsam in meine Glieder zog. Das Feuer war fast heruntergebrannt, ich legte noch ein paar Scheite auf und sah zu, wie die Funken sprühten. Ich sehnte mich nach einem Bett, aber ich konnte nicht über die Hürde springen: über meine eigene Hürde.
Ich war im Gegensatz zu Rocco nie ein Mensch der raschen Entschlüsse gewesen. Ich war stets das geblieben, was ich bereits als Kind war – ein Zauderer. Ein Mensch, der eine Sache so lange hin und her bewegte, bis es oft keiner Entscheidung mehr bedurfte und Rocco nur noch spottend sagen konnte: Wie gut, daß du es wieder einmal verpaßt hast.
Nun also Brigidas Bett, das mich jetzt, nachdem ich den Mut besessen hatte, es hierherunterzutragen, in tausend Gewissensbisse stürzte, obwohl ich vorsichtshalber das seidene Nachtgewand mit den blauen Bändern gleich gar nicht mitgenommen hatte.
Allein mir vorzustellen, daß sie hier gelegen hatte, in der gleichen Bettwäsche, auf dem gleichen Kopfkissen, nahm mir nahezu den Atem. Ich sehnte mich nach Träumen – ich fürchtete mich vor Träumen. Ich wollte Brigida in diesem Bett spüren – ich verbot mir derlei Anwandlungen. Die Aufgabe, die wir in diesem Haus zu erfüllen hatten, war, das Haus für die Hochzeit vorzubereiten und nicht, Träumen nachzuhängen, die ganz gewiß nicht wahr werden konnten. Nicht mehr jetzt. Und auch wenn ich nicht der große Zauderer gewesen wäre, hätte ich diese Träume vermutlich nie leben können.
Ich schob also den Zeitpunkt des Schlafengehens immer weiter hinaus. Ich füllte aus einer abgedeckten
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