Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Letternmaterial muss angeschafft werden, besser heute als morgen. Der Gäch’sche Setzkasten ist eine Katastrophe. Das erste Druckwerk, das Wagners Presse verlässt, ist eine Tragödie. Das Drama handelt vom Burgunderkönig Sigismund, der seinen Sohn erdrosseln lässt, da er in ihm einen Verschwörer vermutet. Doch schon der Untertitel des Stücks verweist auf das schlimme Schicksal, das dem strengen Katholiken Sigismund bevorsteht. Er wird von heidnischen Ostgoten kopfüber in einen Brunnen geworfen. Seitdem gilt er als christlicher Märtyrer.
Zu den Autoren der frühen Stunde gehört Hippolytus Guarinoni. Wagner stellt sich gut mit ihm, man weiß ja nie. Die Schriften des Arztes und Pfalzgrafen Guarinoni sind weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Im ersten Jahr seiner Innsbrucker Tätigkeit trifft Wagner auch auf einen Mann, dem er zeitlebens freundschaftlich verbunden bleiben wird: Johann Stadlmayr. Für den Komponisten und Innsbrucker Hofkapellmeister fertigt er einen Notendruck um den anderen an. Stadlmayr hatte schon mit Hans Gäch zusammengearbeitet.
In Sachen Notensatz gibt es an Gäch nichts zu bemäkeln. Auch andere Drucke seines Vorgängers findet Wagner nicht übel. Das Werk mit den Kupferstichen des Hans Sadeler ist ein wahres Meisterstück. Die Sadeler sind Wagner von Jugend an ein Begriff, vor allem Egidius Sadeler, der gebürtige Antwerpener, einer der berühmtesten Kupferstecher seiner Zeit. Stümper war Gäch keiner, als Drucker hatte er durchaus seine Qualitäten, als Mensch jedoch –
Ein stadtbekannter Feuerkopf sei Gäch gewesen, stets für einen Streit zu haben und durchaus nicht abgeneigt, die Fäuste sprechen zu lassen, schildert der Stadtapotheker. Gäch und sein Rivale Paur hätten sich derart befetzt, dass sich mitunter Menschentrauben vor den Offizinen ansammelten. Zudem habe es Gäch mit der Treue nicht immer so genau genommen. Wagner hebt abwehrend die Hände: De mortuis nil nisi bene. Aber er kommt nicht dagegen an, die Neugier öffnet ihm die Ohren. Vor dem Stadtrat seien Vorwürfe gegen Gäch erhoben worden, er habe es mit seiner Schwägerin –
Seiner Frau Maria verschweigt Wagner das Gehörte. Sie weiß ohnehin besser darüber Bescheid. Mitgenommen sieht sie aus, und doch blitzt in ihr die Schönheit auf, die sie einmal gewesen sein muss. Legt sie das Häubchen ab und löst das zum Dutt gesteckte Haar, fällt es ihr schlohweiß auf die Schultern. Sie mag es nicht, wenn er sie so sieht. Manchmal kommt es Wagnervor, als habe sie Angst vor ihm. Warum er sie geheiratet hat, weiß sie. Dass er ihre Altersvorsorge bedeutet, ist beiden bewusst. Kaum war das letzte Gebet für Hans Gäch verstummt, hatten die Stadtoberen Maria zu einer erneuten Hochzeit gedrängt.
Viel haben sich Maria und er nicht zu sagen. Jeder geht seiner Tätigkeit nach. Er an der Presse, sie im Aberglauben. In allem will sie ein Zeichen sehen. Den Becher führt sie erst an die Lippen, wenn sie ihn zuvor an einen anderen angestoßen hat. Das Scheppern vertreibe die Dämonen, ist sie überzeugt. Hantiert sie nicht in der Küche, ballt sie die Fäuste, drückt den Daumen unter ihre Finger. Der Daumen sei ein Glücksbringer, das stärkste Glied der Hand, mit überirdischen Fähigkeiten ausgestattet. Und um dem Teufel nicht Tür und Tor zu öffnen, reißt sie beim Gähnen die Hand vor den Mund. So halte sie den Antichrist ab, der ihr in Mückengestalt in den Körper fahren wolle.
Maria ist wesentlich älter als er, jede Schwangerschaft bedeutet ein Risiko. Doch die Ehe ist zu vollziehen. Und das Ergebnis bleibt nicht aus. Wird sie Wagner einen Sohn schenken? Er hofft inständig darauf.
Warum sich gegenseitig behindern? Wagner arrangiert sich mit Paur. Probleme schaffen ohnehin die Behörden. Vor allem dieser Biener. Der beißt doch die Hand, die ihn füttert. Andererseits hält Claudia große Stücke auf ihren Kanzler. Kann sich eine Landesfürstin so irren?
Höflich distanziert bleibt Wagner, wenn er Biener antrifft. Mit dem möchte er sich besser nicht anlegen. Wagner misstraut ihm. Tut er genug im Kampf gegen die Schweden?
Immer noch schrickt Wagner nachts auf. Zwar ist der Löwe aus Mitternacht gefallen, doch Graf Axel Oxenstierna führt den Krieg mit unverminderter Härte weiter. Bet’ Kinder bet’! Morgen kommt der Schwed. Morgen kommt der Ochsenstern. Wird den Kindern ’s Beten lern’ –
Ein Glück, dass es die Porta Claudia gibt! An der Befestigungsanlage in Scharnitz war Wagner auf dem
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