Der Buchdrucker der Medici - Eine Hommage an Michael Wagner
Werk bei ihm in Druck. Sätzl stellt seiner Komposition eine Widmung an Hippolyt Guarinoni voran. Zweifel kommen Wagner an der Qualität des Drucks. Zu groß an manchen Stellen der Abstand zwischen den Sätzen. Immerhin der Notendruck sauber, schön gearbeitet. Excudebat Michael Wagnerus. Anno salutis M, DC, XLVI.
Das Weihnachtsfest 1648 ist von Unglück überschattet. Landesfürstin Claudia ist gestorben. Schon lange war sie siech, Wasseransammlungen im Körper haben ihr die letzten Jahre erschwert.
Nun will sich Wagner seiner Gönnerin erst recht als würdig erweisen. Und er schwört seinen Sohn auf Künftiges ein. Nie solle er vergessen, dass er ein Buchdrucker der Medici sei. Alle nachfolgenden Generationen hätten dies zu beherzigen, anderenfalls würde er aus dem Grab heraussteigen und ihnen die Leviten lesen.
Weiterhin tauscht Wagner sich mit Augsburger Kollegen aus, auch mit Nikolaus Bencard in Würzburg, später mit dessen Sohn in Dillingen. Dabei hat er mit dem österreichischen Markt genug zu tun. Gemeinsam mit Hieronymus Paur macht er sich an die Verwirklichung eines Großprojekts. Der erste Band der
Pietas Austriaca
geht in Druck, ein mächtiger Foliant, mehr als tausend Seiten stark. Der mit Initialen und Vignetten geschmückte Antiquasatz fordert Wagner alles ab. Marginalien ergänzen das Werk, Kupferstiche lockern es auf. Allein das Titelbild ist prächtig anzuschauen. Es zeigt den dreiköpfigen Engel der Apokalypse im Kampf mit dem Drachen des Bösen, im Hintergrund ist Innsbruck zu sehen.
Den zweiten Band druckt Paur, beim abschließenden dritten ist wieder Wagner an der Reihe. Mürrisch wird er, wenn man ihn bei der Arbeit stört. Aber einem Gottesmann die Tür weisen? So zuckt Wagner nur unmerklich zusammen, wenn der Autor der
Pietas
Diego Tafuri de Lequile energischen Schritts und mit wehender Kutte die Offizin betritt. Nichts kann man ihm recht machen, dem italienischen Prediger, doch will jedes Wort gut überlegt sein. Lequile ist ein gern gesehener Gast bei Hof. Der Franziskaner versteht sich auf die Lobhudelei und dichtet den Herrschern Honig ums Maul.
Die Augen schmerzen, die Hände, die Knie, vor allem die Schultern. Im Gewölbe gibt es kaum Licht, es ist feucht, im Winter bitterkalt. Immer wieder muss Wagner die tauben Finger über eine Kerze halten und sich die Steifheit aus den Gliedern schütteln. Ausfälle darf er sich nicht erlauben. Die Familie muss ernährt werden, den Kindern soll es an nichts mangeln. Für die Töchter hat er schon Sorge getragen und mit künftigen Bräutigamsvätern Kontakte geknüpft. Und Jakob Christoph hat den Betrieb zu übernehmen. Bis es aber so weit ist –
Nie und nimmer könnte Wagner die Aufträge erfüllen ohne die Hilfe seiner Frau. Sie verfügt über eine Fertigkeit, die ihn staunen lässt. Bald weiß sie genauso gut mit dem Winkelhaken umzugehen wie er. Sie lernt das Druckerhandwerk von Grund auf. Stolz ist Wagner auf sie, die erste Buchdruckerin der Stadt, Tirols und weit übers Gebirge hinaus.
Manchmal gesellt sich Jakob Christoph zu ihnen, dann treiben sie ihre Scherze mit ihm. Ein wenig Wasser gießen sie auf dem Setzschiff aus und halten den Sohn an zu warten. Gleich würden dort Bleiläuse auftauchen. Ob er sie denn nicht auch schon erblicken könne? Er müsse genau hinsehen! Schon beugt sich Jakob Christoph über das Schiff – Blitzschnell löst Wagner die Stege und seinem Sohn spritzt alles Wasser ins Gesicht.
Johann Martin, Erzherzoglicher Komödiant. Mit der Fingerspitze fährt Wagner den Namenszug nach, leicht heben sich die Lettern vom Titelblatt ab. Zufriedenheit erfüllt ihn, ist er doch der Erste, der die Verse des Bauernsohns aus Schnifis in Vorarlberg druckt. Später wird es der einstige Zögling des Feldkircher Jesuitengymnasiums zu Ruhm bringen und vom Kaiser zum Dichter gekrönt werden. Doch schon in den Innsbrucker Jahren ist Martin eine stadtbekannte Persönlichkeit. Als Günstling des Erzherzogs wird dem jungen Dichter die Leitung der Hofbühne anvertraut. Kenntnisse im Umgang mit Schauspielern kann er zur Genüge vorweisen. Jahrelang ist Martin als fahrender Komödiant durch die Städte Süddeutschlands gezogen. In Innsbruck erlebt er den ersten Höhepunkt seiner Karriere. Er ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Auch Wagner fühlt sich angekommen. Was die Aufbruchsstimmung betrifft, steht die Stadt seinem geliebten Augsburg um nichts mehr nach. Allein der Theaterbetrieb lässt zahlreiche Handwerker zuwandern.
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