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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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der eigentlich kein Junge mehr war – seinem verstorbenen Vater verblüffend ähnlich. Das war wohl nicht weiter sonderbar, sondern schlicht genetisch bedingt. Unheimlich wurde es erst durch den großen Hut. Er hielt ihn in beiden Händen und drehte ihn immer im Kreis herum.
    » Eddie fing ungefähr zu der Zeit wieder das Saufen an, als der da beschloss, das College sei doch nichts für ihn«, sagte ich.
    Ned Wilcox hatte die Pitt verlassen und war nach Statler heimgekehrt. Ein Jahr lang übernahm er Arkys Job. Arky war da schon in Rente und wieder nach Michigan gezogen, wo sie sich bestimmt alle so anhörten wie er (ein beängstigender Gedanke). Als Ned einundzwanzig wurde, bewarb er sich und absolvierte die Prüfungen. Und jetzt, mit zweiundzwanzig, war er Polizeischüler bei uns.
    Auf halber Strecke blieb Curts Sohn auf dem Parkplatz stehen und sah sich noch einmal zu dem Schuppen um. Er drehte immer noch seinen Stetson in den Händen.
    » Gut schaut er aus, nicht wahr?«, murmelte Shirley.
    Ich setzte meine Alter-Sarge-Miene auf – ein wenig unnahbar und verächtlich. » Na ja, ganz ordentlich. Shirley, hast du eine Ahnung, was für ein Gezeter seine Mutter gemacht hat, als sie schließlich mitkriegte, was er vorhatte?«
    Shirley lachte und drückte ihre Zigarette aus. » Noch wütender war sie, als sie rausfand, dass er den Bel-Aire seines Vaters an Eddie Jacubois verkaufen wollte – hat mir Ned jedenfalls erzählt. Aber mal im Ernst, Sandy: Sie musste doch mit so was rechnen. Schließlich war sie mit einem Trooper verheiratet. Und wahrscheinlich wusste sie doch, dass er eigentlich hierher gehörte. Aber Eddie – wohin gehörte der ? W ieso konnte er einfach nicht mit dem Trinken aufhören?«
    » Tja, die ewige Frage«, sagte ich. » Manche meinen, es sei eine Krankheit wie Krebs oder Diabetes. Vielleicht haben sie recht.«
    Als Eddie dann jeden Tag mit einer Schnapsfahne zum Dienst erschien, nahmen wir das nicht lange hin; dafür war die Lage zu ernst. Als er sich weigerte, einen vierwöchigen Entzug in der von der PSP in solchen Fällen favorisierten Einrichtung zu machen, wurde er vor die Wahl gestellt: selber den Dienst quittieren oder mit Pauken und Trompeten gefeuert werden. Eddie hatte den Dienst quittiert und nur etwa halb so viel Pension bekommen, wie ihm zugestanden hätte, wenn es ihm gelungen wäre, den Job noch drei Jahre lang zu behalten – gegen Ende der Laufbahn wird da noch ganz schön was draufgesattelt. Und ich konnte seine Entscheidung ebenso wenig nachvollziehen wie Shirley. Wieso hatte er nicht mit dem Trinken aufgehört? Wieso hatte er sich, mit so einem Anreiz vor Augen, nicht einfach gesagt: Drei Jahre lang bleibe ich trocken, und wenn ich mich dann pensionieren lasse, bade ich in Bourbon? Es war mir schleierhaft.
    Das Tap wurde Eddie Js zweite Heimat. Das Tap und der alte Bel-Aire. Er hielt ihn außen immer auf Hochglanz und innen picobello sauber – bis zu dem Tag, an dem er dann in ihm mit schätzungsweise hundertdreißig Sachen an den Brückenpfeiler knallte. Da hatte er mittlerweile eine Menge Gründe für diese Tat – er war kein glücklicher Mensch –, aber die Frage stellte sich doch, ob nicht auch andere Dinge dabei eine Rolle gespielt hatten. Vor allem fragte ich mich, ob er gegen Ende seines Lebens dieses Pulsieren gehört hatte, das gezeitengleiche Flüstern, das einem vorkam wie eine Stimme mitten im Kopf.
    Nur zu, Eddie! Mach es! Dir bleibt doch sowieso nichts anderes übrig, oder? Tritt noch etwas fester aufs Gaspedal, und dann reiß das Steuer nach rechts. Mach schon! Los! Richte eine kleine Sauerei an, die deine Kumpels dann wegmachen müssen.
    Ich dachte an den Abend, an dem wir hier auf dieser Bank gesessen hatten. Der junge Mann, den ich gerade ansah, war damals vier Jahre jünger gewesen und hatte gebannt gelauscht, als Eddie erzählt hatte, wie er damals Brian Lippys aufgemotzten Pick-up angehalten hatte. Der Junge hatte zugehört, als Eddie von seinem Versuch erzählt hatte, Lippys Freundin dazu zu bewegen, etwas an ihrer Lage zu ändern, ehe ihr Freund sie grün und blau schlug oder gar umbrachte. Letztlich kam es ironischerweise dann ganz anders. Soweit ich weiß, ist das malträtierte Mädchen als Einzige der vier Personen, die sich damals am Straßenrand trafen, noch am Leben. Ja, es gibt sie noch. Ich fahre zwar nicht mehr oft Streife, aber von Zeit zu Zeit gehen Papiere mit ihrem Namen und Fotos über meinen Schreibtisch, und auf jedem neuen Bild

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