Der Bund der Drei
kläffte er vor der Haustür. Ich hörte Mathildes Schritte, das Klirren des Türriegels und ihr Brummeln:
»Jetzt willst du wieder ‘rein! Erst ‘raus, dann ‘rein, nur noch der reine Hundeportier könnte man sein !«
Und gleich darauf eine ganz mütterlich warme Stimme, so, als käme sie von einer anderen Person:
»Soso, das Bällchen bringen wir mit? So schön ist’s, dein Bällchen? Herrje, und so schön voll Spucke, gib’s mir mal! Danke schön! So ein kleiner guter Junge (Kußgeräusch) —«
Sie ist rührend zu den Tieren, unsere Mathilde. Oft hörte ich sie, in der Küche hantierend, mit den dreien reden: »Meine Jungen«, sagte sie, »bleibt nur schön bei mir... natürlich kriegt ihr was...« All die aufgestaute Liebe wird hier an die drei ihr anvertrauten Tiere gegeben, die Liebe zu den beiden Brüdern, die der Krieg verschlang, zu der alten Mutter, die fern auf dem Dorf lebt und niemals schreibt, und zu irgendeinem sagenhaften Bräutigam, der sie vor vielen Jahren um einer anderen willen verließ, nicht zu vergessen zu den Kindern, die sie niemals gebären durfte...
Jetzt kamen tip-tip-tip Weffchens Schritte die Treppe herauf. Auf dem Läufer hinterließen sie feuchte Spuren, im Gezottel seiner Füße hingen kleine Kletten, und noch immer trug er das Bällchen im Maul. Auch er steuerte sofort Frauchens Zimmer an, wo der schwarze Wächter vor dem Bett lag. Weffi roch Peter in die Schnauze, der ihn seinerseits genau visitierte. Es wurde aus irgendeinem Grunde besonders lange und heftig in Weffis Ohr geblasen und dann verlegen gegähnt. Plötzlich tönte unter dem Bett hervor ein tiefer Seufzer Cockis. Weffi machte Schiefköpfchen, ließ sich dann auf die Pfoten nieder und sah unters Bett auf den großen Bruder. Dann ließ er das Bällchen fallen. Es blieb zwischen den Pfoten liegen. War es nur Zufall?
Nein, ganz deutlich gab Weffi ihm einen Stoß mit der Nase, so daß es unter das Bett zu Cocki rollte. Ich hörte ein scharrendes Geräusch: der Dicke hatte es mit der Tatze zu sich herangezogen und lag mit seiner Flappe darauf. Weffi stand auf, wanderte befriedigt in mein Zimmer und sprang auf die Couch.
Als es zum Essen gongte und wir die Treppe hinuntergingen, war plötzlich Cocki auch da. Mühsam, Schritt für Schritt, stieg er neben mir hinunter. Wollte er etwa fressen? Nein, er kroch nicht unter den Tisch und brüllte nicht jeden an, der sich setzte und ihm etwas >wegfressen< konnte; er richtete sich auch nicht neben Mama, dem schwächsten Punkt unserer Verteidigung, auf und versuchte, ihr teils mit schmeichelndem Zungenschmatzen, teils mit herrischem Tatzenhieb die Hälfte ihres Essens abzubetteln; er kringelte sich nur mit einem unheimlich traurigen Blick zu meinen Füßen und blieb dort liegen...
Nach dem Essen war er wieder an meiner Seite und folgte mir zum Schreibtisch. Als ich zum letzten Gäßchen-gehen pfiff, kam er nicht; nur als meine Schlafcouch aufgebettet wurde, lag er schon wieder im Sessel.
»Ich glaube, ich werde ihn heute bei mir schlafen lassen müssen; wir können über Nacht ja den Teppich zu rückschlagen«, sagte ich.
So wurde es gemacht, und er blieb bei mir. Ich strich ihm noch einmal den Kopf, befühlte die spröde, trockenheiße Nase, dann drehte ich das Licht aus. Nach ein paar Minuten spürte ich ein Gewicht auf meiner Bettdecke, ich machte das Licht an. Es war der kleine Löwe, der von seinem Sessel auf die Lehne geklettert war und sich nun neben mich legte. Er leckte mir einmal den Arm und schlief dann unruhig weiter. Er war hochfiebrig und bei jedem Atemzug durchlief ihn ein Zittern.
»Kleiner Löwe«, flüsterte ich in sein Ohr, »geh nicht weg von mir! Sieh mal, erst sechs Jahre bist du alt — zweiundvierzig Menschenjahre. Du bist auf der Höhe deiner Kraft. Wieviel gibt es noch für dich zu laufen, zu springen, zu raufen, zu fressen und zu lieben! Wie viele herrliche Tage, Monate, Jahre mit Herrchen und Frauchen! Reiß dich doch zusammen, alter Kerl — mein Löwechen !«
Nach dem Frühstück fuhr Frauchen wieder in die Stadt, und ich versuchte zu arbeiten. Aber es gelang mir nicht. Weffi lag auf meiner Couch, Cocki auf dem Sessel und Peterchen, als Wache, vor ihm auf dem Teppich. Wohl ein dutzendmal stand ich auf und ging zu dem kranken Tier, streichelte es, fühlte seine Hitze, horchte an seinem Herzen — immer dasselbe! Ein inneres Feuer schien unlöschbar in ihm zu wüten und seinen Organismus bis in die feinsten Adern und Fasern zu durchfressen.
Weitere Kostenlose Bücher