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Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers

Titel: Der Bund des Raben 02 - Jäger des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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sie von benachbarten Gebäuden zu den Kollegmauern mithilfe von Enterhaken Seile gespannt, an denen sie hinüberklettern wollten.
    Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel, und sie bauten irgendetwas. Barras konnte es nicht mehr ertragen, die entsetzlichen Schreie der Sterbenden zu hören, und
ging auf die Wehrgänge des Turms hinaus, um die Hölle zu betrachten, die er und die anderen Ratsmitglieder knapp außerhalb der Mauern entfesselt hatten.
    Der Dämonenschirm umgab das Kolleg wie eine dünne graue Wolke, die aus dem völlig intakten Boden aufstieg. Er war zehn Fuß dick und waberte in den Himmel hinauf, so hoch man sehen konnte. Barras wusste, dass er tiefer unter die Erde reichte, als ein Mensch überhaupt vordringen konnte. Es war ein Ehrfurcht gebietender, bedrückender Zauber. Auf seine Weise war er majestätisch und legte ein schreckliches Zeugnis von der Macht ab, welche die Dämonen dank der Hilfe der Magier auf Balaia entfalten konnten. Wer der Barriere zu nahe kam, knirschte unwillkürlich mit den Zähnen und wurde von einer Angst angefallen, die vom Schirm in die ganze Umgebung ausstrahlte. Es brauchte eine starke, bewusste Anstrengung, nicht einfach wegzulaufen.
    Er zweifelte nicht daran, dass die Wesmen irgendwann in den nächsten Wochen versuchen würden, einen Tunnel zu graben. Er konnte nur beten, dass sie ihren Irrtum einsahen, bevor zu viele von ihnen starben. Doch als er den Schirm betrachtete, hinter dem gelegentlich blaues und gelbes Licht aufblitzte wie Wetterleuchten, war er nicht mehr so sicher. Nein, er war überhaupt nicht sicher. Das Verhalten der Wesmen hatte bislang gezeigt, dass sie von einem grundlegenden Missverständnis in Bezug auf die Realität des Mana und die Verbindungen zwischen den Dimensionen geleitet waren. Unwillkürlich verzog er den Mund zu einem traurigen Lächeln. Natürlich konnten sie es nicht verstehen. Die Wesmen hatten keine Magie. Sie waren in dieser Hinsicht unschuldig, und dies war zugleich ihr Verderben.
    Barras machte eine Runde auf dem Turm und betrachtete
den ganzen Schirm, dieses wabernde Grau, das alles, was dahinter lag, nur verwaschen durchscheinen ließ. Die Farben waren gedämpft, die Bewegungen dahinter nur schemenhaft zu erkennen. Das erste Mal war der Dämonenschirm vor siebenhundert Jahren eingesetzt worden, um das Kolleg von Julatsa unangreifbar zu machen. Er hatte den gleichen Zweck erfüllt wie ein Burggraben, doch war er unendlich viel wirkungsvoller.
    Solange der Spruch nicht aufgehoben war, gab es keine Möglichkeit, den Dämonenschirm zu durchdringen. Wer es versuchte, ob Freund oder Feind, kam in der Abschirmung um. Man konnte den Schirm nicht überfliegen und sich nicht darunter hindurchgraben. Ohne Unterschied nahm er die Seelen von Mensch und Tier. Er war das Böse auf dem Antlitz Balaias. Und doch konnte er Julatsa vor den Wesmen retten, und dieses Wissen tröstete Barras trotz der Schrecken des Dämonenschirms.
    Im Innern, auf dem Gelände des Kollegs, zollte man dem Schirm die größte Hochachtung. Niemand wagte sich näher als ein halbes Dutzend Schritte an die wabernde Wand heran. Diejenigen, die es noch geschafft hatten, durch die Tore zu eilen, teilten sich jetzt den Platz mit denen, die normalerweise das Kolleg bewohnten. Sie liefen herum, standen oder saßen in Gruppen beisammen. Alle waren wie benommen, alle waren traurig, und alle waren bedrückt durch die Ruhe, die auf dem Gelände herrschte. Denn der eigenartigste Aspekt des Schirms war die Stille.
    Alle Geräusche, die die Wesmen machten, drangen nur gedämpft und wie aus großer Ferne herüber. Sie hatten es schon lange aufgegeben, Pfeile über die Mauern zu schießen. Das war eine Verschwendung ihrer Munition und eine Ergänzung der Vorräte im Kolleg. Jetzt hatten sie die Mauern knapp außerhalb des Grabens umstellt, sammelten
sich und starrten herüber. Doch der Lärm, den sie vor dem Schirm machten, das Hämmern am Turm, den sie, wie Barras sehen konnte, inzwischen bauten, ihr Getöse, das Rennen, Laufen, Kochen, Reden und Lachen, all dies war gedämpft.
    Barras steckte sich einen Finger ins Ohr. Einen Moment lang hatte er Zweifel, ob nicht doch sein Gehör nachließ. Doch dann hörte er Kards laute und durchdringende Stimme direkt links neben sich.
    »Guten Tag, Barras.« Der alte Elf erschrak und drehte sich um.
    »Kard. Es ist schön, Euch wohlauf zu sehen.«
    »Alles ist relativ«, sagte der General.
    »Das trifft sicher zu. Was führt Euch hier

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