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Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit

Titel: Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Gerüchte über weitere Kämpfe, Steuererhöhungen und eine erneute Invasion der Wesmen gegeben, doch schließlich war auf Korinas vormals nahezu verlassenen Hafenmolen und Märkten wieder etwas Zuversicht eingekehrt, und alle Händler schienen fest entschlossen, den entgangenen Profit so schnell wie möglich hereinzuholen. Die Markttage wurden länger und länger, mit jeder Flut legten mehr Schiffe an, und die Gasthöfe, Wirtshäuser und Herbergen hatten einen Ansturm zu verzeichnen wie seit der Blütezeit der Handelsallianz von Korina nicht mehr. Selbstverständlich begann unter den Baronen wieder das alte Gezänk, und der Beruf des Söldners schien abermals sehr zukunftsträchtig zu sein. Dies war freilich ein Gewerbe, an dem der Rabe keinen Anteil mehr hatte.
    Der am Zentralmarkt gelegene Krähenhorst platzte vom frühen Morgen, wenn das Frühstück serviert wurde,
bis zum späten Abend, wenn der Spießbraten bis auf Knochen und Knorpel abgenagt war, aus allen Nähten.
    Der Unbekannte Krieger schloss hinter dem letzten Betrunkenen des Abends die Tür und drehte sich zum Schankraum um. Er sah sein Ebenbild in einem der kleinen Spiegel, die überall an den Pfeilern hingen. Das kurz rasierte Haar konnte das sich ausbreitende Grau, das zu den Augen passte, nicht verbergen. Sein Gesicht war so markant wie eh und je, und der kräftige Körperbau unter dem weißen Hemd und der dunkelbraunen Hose wurde mit religiösem Eifer in makelloser Form gehalten. Achtunddreißig war er jetzt. Er spürte sein Alter nicht, aber andererseits kämpfte er auch nicht mehr, und dies aus gutem Grund.
    Die Stadtwache hatte gerade die erste Stunde des neuen Tages ausgerufen, doch es würde noch einmal zwei Stunden dauern, bis er endlich durch seine Haustür treten konnte. Er hoffte nur, dass Diera und Jonas in dieser Nacht etwas ruhiger schlafen konnten. Der Kleine hatte das Bauchgrimmen und war die meiste Zeit äußerst schlecht gelaunt.
    Lächelnd ging er zur Theke, wo Tomas inzwischen zwei dampfende Eimer Seifenwasser, Tücher und einen Schrubber bereitgestellt hatte. Der schönste Moment eines jeden Tages war der, wenn er nachts an der Wiege seines neugeborenen Kindes stehen konnte, oder wenn er neben Diera aufwachte, während die Sonne schon durchs Schlafzimmerfenster schien. Er rückte einen Stuhl zurecht, bevor er die Hände auf die Theke klatschte. Tomas tauchte dahinter auf und brachte eine Flasche roten Traubenbrand von den Südinseln und zwei Schnapsgläser mit. Er schenkte ihnen beiden reichlich ein. Tomas war inzwischen völlig kahlköpfig und fünfzig Jahre alt, doch seine Augen funkelten
lebhaft wie eh und je, und er hielt sich aufrecht und war kerngesund.
    »Auf einen schönen Abend, mal wieder«, sagte er und reichte dem Unbekannten ein Glas.
    »Und auf die Klugheit, zwei zusätzliche Mitarbeiter einzustellen. Die haben es uns wirklich leichter gemacht.«
    Die beiden Männer, Freunde seit mehr als zwanzig Jahren und seit gut einem Dutzend Jahren gemeinsam die Besitzer des Krähenhorsts, stießen an und tranken. Nur einen Schnaps an jedem Abend, so hielten sie es seit mehr als vier Jahren. Wenn sie den ganzen Tag gearbeitet hatten, mochten sie darauf so wenig verzichten wie auf das Atmen. Schließlich hatte der Unbekannte mit dem Raben mehr als ein Jahrzehnt lang dafür gekämpft, solche Momente in einem beschaulichen Alltagsleben genießen zu können. Schade nur, dass er auch nach vier Jahren innerlich immer noch nicht zur Ruhe gekommen war.
    Der Unbekannte rieb sich das Kinn und kratzte über die Stoppeln, die tagsüber gewachsen waren. Er blickte zur Tür des Hinterzimmers, die mit dem Symbol des Raben geschmückt war. Der Raum wurde kaum noch benutzt.
    »Na, juckt’s dich, alter Junge?«, fragte Tomas.
    »Ja«, erwiderte der Unbekannte, »aber nicht an der Stelle, an die du jetzt denkst.«
    »Wirklich?« Tomas zog kritisch die Augenbrauen hoch. »Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sehen würde – dass du dich niederlässt und den Laden hier mit mir zusammen führst.«
    »Du hättest nicht gedacht, dass ich so lange überlebe, was?« Der Unbekannte schnappte sich einen Eimer und einen Putzlappen.

    »Daran habe ich nie gezweifelt. Aber du bist ein Wandervogel, Sol. Ein Krieger. Es liegt dir im Blut.«
    Nur Tomas und Diera durften seinen richtigen Namen, den er als Protektor getragen hatte, benutzen, und wenn sie es taten, dann hielt er immer kurz inne. Es bedeutete, dass sie sich wegen irgendetwas Sorgen machten.

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