Der Bund des Raben 03 - Kind der Dunkelheit
zum Teufel, habt Ihr nur die ganze Zeit gemacht?«
Vuldaroq tupfte sich die Stirn und die Glatze mit einem Tuch ab. »Wir haben gesucht. Wir haben uns bemüht, die beiden zu finden. Wir versuchen es immer noch. Schließlich sind sie Dordovaner.«
»Und außerdem sind sie meine Frau und mein Kind, auch wenn wir im Augenblick getrennt leben. Ihr hattet nicht das Recht, mir auch nur einen Tag lang zu verschweigen, dass sie verschwunden sind.«
Denser sah sich im Arbeitszimmer um, betrachtete die Stapel verschnürter Dokumente, die Bücher und Pergamente, die pedantisch in den Regalen aufgereiht waren, die ordentlich geputzten Kerzen und Lampen, das Spielzeugkaninchen, das auf einem dicken Kissen saß. Das sah ganz und gar nicht nach Erienne aus, die bei der Arbeit sonst eher chaotisch war. Gegen ihren Willen war sie nicht verschwunden, so viel war klar. Sie hatte aufgeräumt, weil sie die Absicht hatte, lange nicht mehr zurückzukehren. Vielleicht nie wieder.
»Ganz so einfach ist das nicht«, wandte Vuldaroq vorsichtig ein. »Es gibt gewisse Verfahren und Vorschriften …«
Denser sprang vom Stuhl hoch und baute sich drohend vor dem Herrn des Turms auf.
»Kommt mir ja nicht mit so einem Mist«, knurrte er. »Der verdammte Stolz und die Intrigen in Eurem Quorum haben mich sechs verfluchte Wochen lang daran gehindert, meine Tochter und die Frau, die ich liebe, zu suchen. Sie könnten inzwischen wer weiß wo sein. Was ist
denn nun eigentlich bei Euren Nachforschungen herausgekommen?«
Denser konnte beobachten, wie sich Schweißtropfen auf Vuldaroqs rotem, fleischigem Gesicht bildeten.
»Vage Hinweise. Gerüchte, dass man sie gesehen habe. Nichts Konkretes.«
»Ihr habt sechs Wochen gebraucht, um ›nichts Konkretes‹ herauszufinden? Die gesammelte, nicht unbeträchtliche Macht von Dordover?« Denser hielt inne, als er sah, wie Vuldaroqs Blick verunsichert abirrte. Er lächelte und trat einen Schritt zur Seite, drehte sich halb um und spielte nachdenklich mit einigen aufgestapelten Papieren. »Sie hat Euch völlig überrascht, was? Euch alle.« Er lachte humorlos. »Ihr hattet nicht die geringste Ahnung, dass sie fortgehen könnte, und wenn, wohin sie sich dann wenden würde, nicht wahr?«
Vuldaroq schwieg. Denser nickte.
»Was habt Ihr also getan? Habt Ihr Magier und Soldaten nach Lystern geschickt? Nach Korina? Nach Blackthorne? Oder gar nach Xetesk? Nein? Was dann? Habt Ihr die Wälder in der Umgebung durchsucht? Habt Ihr Botschaften nach Gyernath und Jaden geschickt?«
»Es gilt ein großes Gebiet zu durchsuchen«, erwiderte Vuldaroq vorsichtig.
»Und trotz Eurer großen Weisheit war keiner von Euch so klug, sich in sie hineinzuversetzen und sich zu überlegen, in welche Richtung sie sich gewandt haben könnte, nicht wahr?« Denser schürzte die Lippen und tippte sich an die Stirn. Einen Augenblick lang genoss er Vuldaroqs Verlegenheit. »Keine Instinkte, was? Und deshalb habt Ihr nach mir geschickt, weil ich jemand bin, der es vielleicht weiß. Nur, dass Ihr Euch so viel, so unglaublich viel Zeit gelassen habt. Warum, Vuldaroq?«
Der dordovanische Herr des Turms wischte sich erneut mit dem Tuch übers Gesicht und trocknete seine Hände, ehe er es wieder wegsteckte.
»Trotz Eurer Beziehung zu Erienne und Lyanna unterstehen beide der Obhut von Dordover«, sagte Vuldaroq. »Wir haben unseren Ruf zu wahren und müssen uns ans Protokoll halten. Wir wollten, dass sie ohne … dass sie möglichst ohne großes Aufhebens zurückkehren.« Er spreizte die Finger und lächelte zaghaft.
Denser schüttelte den Kopf und machte wieder einen Schritt auf ihn zu. Vuldaroq wich zurück, prallte gegen einen Stuhl und ließ sich unbeholfen darauf fallen. Sein Gesicht lief wieder rot an.
»Erwartet Ihr wirklich, dass ich das glaube? Eure Geheimniskrämerei in Zusammenhang mit Lyannas Verschwinden hat nur bedingt damit zu tun, dass es Euch peinlich sein könnte, wenn ihr Verschwinden öffentlich bekannt wird. Nein, es steckt mehr dahinter. Ihr wolltet sie ins Kolleg zurückholen, bevor ich erfahren konnte, dass sie fort ist, nicht wahr?« Denser beugte sich über das schwitzende Gesicht. Warmer, leicht nach Alkohol riechender Atem schlug ihm entgegen. »Ich frage mich nur, warum? Hattet Ihr etwa Angst, sie könnte an die Tür eines besser geeigneten Kollegs klopfen?«
Wieder spreizte Vuldaroq die Finger. »Lyanna ist ein Kind mit wahrhaft einzigartigen Begabungen, und diese Begabungen müssen in die richtigen Bahnen
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